Martin Debes spielt mit Rautezeichen.

Alle Sommer gibt es sie wieder, die politischen Sommerreisen. Der Ministerpräsident, die Ministerinnen und Minister, auch einige Abgeordnete fahren öffentlichkeitswirksam übers gar liebliche thüringische Land. Früher ging es irgendwie auch ohne, aber wer wollte etwas dagegen haben, wenn die Nähe zum sorgfältig kuratierten Souverän hergestellt wird.

Zum Beispiel Susanna Karawanskij, die hiesige Ressortleitern für Bau, Verkehr, Landwirtschaft und Forsten. Diese Woche besichtigt sie einen neuen Radweg in Döllstedt-Herbsleben, den Dorfladen in Finsterbergen oder den Neubau eines Sozialen Zentrums in Unterbreizbach. Alles hübsch fototauglich und angemessen harmlos.

Karawanskij hat sich für ihre Tour extra einen Hashtag ausdenken lassen. Ein Hashtag ist ein minder oder minder originelles Schlag- oder Stichwort, das mit einem Rautezeichen eingeleitet wird. Zuletzt lag #stopptputin (läuft nicht so gut) im Trend, oder #GERENG (Glückwunsch an England) oder natürlich #Layla (na, Sie wissen schon).

Der Hashtag der linken Ministerin Karawanskij lautet #Stadt.Land.Fluss, nein, Quatsch, #Stadt.Land.Zukunft natürlich. Denn Zukunft ist nun mal, wie schon Dr. Udo Brömme sagte, für alle da.

Die ganze Rumfahrerei – der tapfere Staatskanzleiminister radelte selbstverständlich wieder – vermittelt die Anmutung, als handele es sich um einen ganz und gar gewöhnlichen Sommer. Okay, er war bisher zu heiß und zu trocken, aber irgendwie haben wir uns ja auch schon daran gewöhnt, dass das Thüringer Becken trotz der jüngsten Schauerversuche wie die Serengeti aussieht.

Doch die Realität lässt sich nicht verdrängen, und es gibt Politiker, die fahren zuweilen sogar mittenrein, widerspenstige Demonstranten inklusive. Als vorige Woche der grüne Vizekanzler für wenige Stunden durch Thüringen sommerreiste, ließ er sich vom Chef des Schleusinger Glaswerks erklären, dass er auch das Erdgas aus der Leitung Nord Stream 2 nähme, bevor die Wannen erkalteten und das ganze Geschäft futsch sei. Aber einem totalitären System, fügte er eilig hinzu, sollte man sich auch nicht unterwerfen. Oder doch?

Welcher Hashtag wäre also der passende für diesen Sommer?

Da ist, nun ja, diese leidige Fernsehserie, Game Of Thrones heißt sie. Darin gibt es alles, was es auch im wahren Spiel des Lebens gibt, machtgierige Herrscher, tumbe Gefolgsleute, intrigante Berater, barbarische Krieger, naive Helden und ein paar starke Frauen, die am Ende scheitern müssen, weil auch die fantasievollste Fantasiewelt noch nicht für den finalen Erfolg starker Frauen bereit zu sein scheint.

Die Handlung beginnt in einem überlangen Spätsommer, in dem sich die meisten Beteiligten noch einmal dem üblichen Machtkampf- und Mordgeschäft hingeben. Derweil formiert sich im Norden, hinter einen großen Mauer verborgen, der Überfeind und jene, die das ahnen, flüstern: Winter is coming.

Ja, der Winter kommt, und er könnte auf eine Art ungemütlich werden, wie wir, die wir noch Lausitzer Braunkohle atmeten, es zuletzt vor gut drei Jahrzehnten erlebten. Dabei haben wir doch schon jetzt Hochinflation, und das Corona-Virus wellt sich durchs Land. Gleichzeitig füllen sich die Gasspeicher zu langsam, sind die Flüchtlinge längst nicht mehr überall willkommen und wird zwei Flugstunden weiter östlich immer verzweifelter gekämpft.

Nein, natürlich, es muss nicht so kommen: Aber in den nächsten Monaten könnte die Wirtschaft in die Rezession rutschen, die Pandemie nebst neuer Variante zurückkehren und der Krieg in der Ukraine nochmals eskalieren. Dann wird es, falls die Ampel in Berlin nicht endlich richtig schaltet, für viele Menschen existenziell. Und dann werden all jene, die meinen, dass das sogenannte System gescheitert ist, dass geheime Mächte walten und dass es mit Westen und Demokratie eh vorbei ist, wieder auf den Straßen stehen.

Ich weiß, ich weiß, ich sollte niemandem die Restlaune verderben, schon gar nicht mir selbst. Denn ich muss, leider, eines der liebsten Stereotype über Medienleute dementieren. Klar, mag sein, ein wenig Aufregung ist unsereins gemeinhin willkommen. Aber Krisen machen uns auf Dauer genauso krank wie die Nachrichtenkonsumenten.

Mal ehrlich, kein vernünftiger Mensch, braucht verrückte Könige und Weiße Wanderer auf Rachemission, von atomsprengkopfbewehrten Drachen gar nicht erst zu reden. Da fahre ich doch lieber alsbald in den Verdrängungsurlaub.