Heiligenstadt. Vom Handy-Verkäufer zum weltbekannten Startenor: Der Startenor spricht nach Auftritt im Eichsfelder Kulturhaus über sein Leben.

„Es ist doch toll, dass wir hier in unserer Region solch einen großen musikalischen Höhepunkt erleben dürfen!“ Das war die einhellige Meinung der Gäste, die sich am Sonntag im ausverkauften Saal des Eichsfelder Kulturhauses auf die Reise ins Land der „Winterträume“ begeben haben.

Starsopranistin Eva Lind, die schon mit 19 an der Wiener Staatsoper in Mozarts Zauberflöte als Königin der Nacht debütierte, Ilja Martin, Mitglied der „Jungen Tenöre“, Startrompeter Kevin Pabst und last but not least Paul Potts, der britische Tenor, der seit 2007 die Opernwelt bereichert, schenkten dem Publikum ein unvergessliches Konzerterlebnis. Kevin Papst überzeugte mit seinem Trompetenspiel, und spätestens bei dem Stück „Ich bete an die Macht der Liebe“ durchflutete ein Gefühl von Gänsehaut und Emotionalität den Theatersaal.

Ilja Martin beeindruckte nicht nur mit seinem Gesang. Seine lebendige und spritzige Art kam beim Publikum gut an. Eine große Freude für Ohren, Herz und Augen bereitete Eva Lind, die auf den großen Bühnen der Welt zu Hause ist, den Gästen. Ihre Stimme verzauberte das Publikum. Mit ihrem Talent zur Moderation erzählte sie kleine Anekdoten und animierte die Gäste zum Mitsingen. Das ließen sich die Eichsfelder nicht zweimal sagen und sangen oder summten bekannte Melodien, wie „Im weißen Rößl“ und „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ mit.

Keine Angst vor Unvollkommenheit

Mit besonderer Vorfreude wurde der Auftritt von Paul Potts erwartet. Paul Potts, der einstige Handyverkäufer, der sympathisch und mit kraftvoller Stimme durch seinen Sieg in der britischen Castingshow Britain’s Got Talent auch international den Durchbruch geschafft hat. Mit seiner unglaublichen Interpretation von „Nessun Dorma“ eroberte er im Sturm die Herzen aller Zuhörer und ist seitdem ein gefeierter Star.

Auch in Heiligenstadt begeisterte er das Publikum, das ihn mit Standing Ovation und nicht enden wollendem Applaus auf einer Welle der Sympathie förmlich durch den Saal trug. Man hatte den Eindruck, dass der leidenschaftliche Jubel ihm fast peinlich war und ihn berührte.

Paul Potts, ganz ohne Effekte, bescheiden und zurückhaltend. Wir alle kennen seine Geschichte und haben seinen kometenhaften Aufstieg in den Medien verfolgt. Paul Potts sang mit seiner Tenorstimme in heller Klangfarbe, und man spürte die Anspannung des ganzen Körpers, bis hin zum kleinen Zeh. Es war ein großes Erlebnis, ihn zu sehen und zu hören. Auch an Humor fehlte es ihm nicht, denn er versuchte sich mit witzigen Überleitungen in gebrochenem Deutsch, was lustig klang. Er sagte, er habe mit 16 Jahren die deutsche Sprache in der Schule gelernt, und gab zu, vieles schon wieder vergessen zu haben. Gerade diese menschliche Unvollkommenheit dieses freundlichen Stars macht den Sänger so sympathisch. Auch, als er dem Publikum gestand, dass er sich seit dem Beginn seiner Karriere schon recht alt fühle, und berichtete, dass seine Frau ihm sage: „Du fühlst dich nicht alt, Paul – du bist alt.“

Das, was bis zuletzt in Frage stand und für ihn eine große Ausnahme war: Paul Potts gab am Ende des Abends, als die Lichter auf der Bühne bereits erloschen waren, für diese Zeitung ein Interview. Auf die Frage, ob er sich als Paradebeispiel für „vom Tellerwäscher zum Millionär“ sieht, antwortete er: „Ich glaube, dass jeder, der eine Chance bekommt, diese auch nutzen sollte. Wenn ich es geschafft habe, dann können es auch alle anderen schaffen, insoweit bin ich vielleicht ein Paradebeispiel. Jeder kann schaffen, was er möchte.“

Jahrelang hatte Paul Potts privaten Gesangsunterricht genommen und dafür viel Geld bezahlt. Ob er daran geglaubt hat, einmal ein Star zu werden? „Ich habe damals die Stunden genommen, weil ich gern singen wollte. Dabei ging es mir darum, besser zu werden. Ja, ich habe davon geträumt, ein professioneller Sänger zu werden, aber ich habe nicht wirklich daran geglaubt. Das Singen selbst hat mir aber viel Kraft und Freude gegeben, und ich wollte singen.“ Nochmals auf den wahr gewordenen Traum angesprochen, sagte er, dass er immer nur singen und dabei so gut werden wollte, wie er nur konnte. „Am Ende ist dieser Traum wahr geworden.“

Zu der Bemerkung, dass er ein großer Star sei und nicht mehr so bescheiden sein müsste, äußerte er: „Das ist mein Naturell. So bin ich, und so will ich auch bleiben.“ Auch die Familie gehört dazu und die Frage, wie die kometenhafte Karriere für die Familie war. „Wir haben nach wie vor in unserer Familie dieselbe Einstellung. Nimm den Tag an, so gut, wie es geht. Du weißt nicht, was morgen kommt. Bleib stets dran und sei du selbst, verstelle dich nicht. Ich glaube, meine Familie hat damals an mich geglaubt und hat die Stärke in mir gesehen und daran geglaubt.“

Scherzhaft sei die Frage erlaubt, ob seine Frau Julie-Ann Paul Potts als Star mehr liebt als den Handyverkäufer? Das wehrte er lächelnd ab: „Nein, noch immer wie damals. Ich bin doch immer noch derselbe und manchmal auch dieselbe große Herausforderung für meine Frau wie damals“.

Das Video von der Talentshow im Fernsehen wurde im Internet 118 Millionen Mal angeklickt. Ist das heute noch für ihn interessant? „Ja, auch ich schaue mir noch immer gern das Video an. Dann schaue ich auch regelmäßig die Kommentare durch. Und wenn die Menschen Fragen haben, dann beantworte ich diese immer sehr gern. Das interessiert mich noch immer.“

Paul Potts trat bereits zweimal für Queen Elizabeth II bei der Royal Variety Performance auf. Ob ihm da die Knie geschlottert haben, möchte ich wissen. „Ich war sehr nervös. Das hat mich schon Nerven gekostet. Ich bin häufiger nervös, damals aber war ich es besonders. Ihre Familie kommt ja übrigens hier aus der Nähe, von Braunschweig, das ist nicht weit von hier, oder? Ich bin häufig sehr nervös, wenn ich singen darf.“

Auf die Frage, ob die Queen nett war, sagt er, dass sie sehr nett gewesen ist, er sich aber gewundert habe, dass sie noch viel kleiner ist als er. Und er selbst sei nur ein kleiner Mann.

Menschen begeistern für klassische Musik

Im Fernsehen wurde darüber berichtet, dass Paul Potts vor der TV-Talent-Show eine Münze geworfen hatte, die entschieden haben soll, ob er teilnimmt. Ob nur die Münze entschieden hat oder ob seine Entscheidung, sich dort zu präsentieren, im Inneren feststand, ist die nächste Frage. „Ich hatte damals keine große Zeit, darüber nachzudenken. Deswegen habe ich auch die Münze genommen und sie geworfen. Ich habe damals nicht gedacht, dass damit auch nur irgendein Risiko verbunden sein könnte, da ich nicht davon ausgegangen bin, dass etwas passieren wird.“

Paul Potts Lebensgeschichte ist so ergreifend, dass viele Menschen sich für ihn interessieren. Hierdurch kommen auch diejenigen in Berührung mit klassischer Musik, die sich bisher nicht dafür interessiert haben. „Das ist Teil von meinem Ziel. Aber ich glaube, es ist nicht nur die klassische Musik. Es ist jede Art von Musik, für die ich gern begeistern möchte. Es gibt nicht nur die eine Gruppe Menschen, die klassische Musik hört. Klassische Musik ist für viele Menschen interessant, wenn man sie dafür begeistern kann.“

Natürlich wollen wir wissen, ob er immer noch im Kontakt mit seinen damaligen Kollegen vom Handy-Shop steht und ob sie stolz auf ihn sind. „Mit einer Menge von Leuten, mit denen ich damals gearbeitet habe, habe ich keinen Kontakt mehr. Mit vielen von ihnen bin ich aber noch immer gut befreundet, insbesondere mit denen, für ich damals verantwortlich war.“

Heute verläuft sein Leben anders. Wenn er nicht auf Tournee ist, geht er spazieren und bereitet sich auf künftige Auftritte vor. Auf die letzte Frage, ob er glücklich ist, gibt er folgende Antwort. „Ja, ich bin glücklich. Ich kann das tun, was mir Spaß macht, und das an vielen tollen Orten.“

Freuen wir uns also mit Paul Potts, der mit seinem Beispiel zeigt, dass es noch Märchen gibt und Träume wahr werden können, wenn man sich anstrengt und das Ziel nicht aus den Augen verliert. Aber auch ein Quäntchen Glück ist dabei nicht zu unterschätzen.