Erfurt. Else Potje wird 100 Jahre alt. Weniger als 50 Erfurter sind derzeit über dieser magischen Zahl. Die Jubilarin rät zu etwas, das viele verlernt haben:
Sie zieht ihren Rollator zu sich heran, erhebt sich aus dem Sessel, hält die Griffe fest umschlossen und läuft los. Zielgerichtet geht es in Richtung Kapelle, hier fühlt sie sich besonders wohl.
Else Potje wird am 21. November 2022 100 Jahre alt. Als sie das Licht der Welt erblickte – in der Weimarer Republik – wurde gerade das Grab von Tutanchamun entdeckt, Mussolini trat erstmals als Ministerpräsident vor das italienische Parlament. 100 Jahre, das sind vier Regierungsformen, mehrere Währungen, zig Parlamentswahlen – und ein Weltkrieg. Schaut sie heute Nachrichten, macht sie das sehr nachdenklich. „Ich hoffe, dass alles in Frieden ausgeht“, sagt sie, und der Blick ihrer sonst strahlenden Augen wird schwer und ernst.
Der Glaube an Gott hat sie ein Leben lang getragen, zweimal pro Woche geht sie zur Andacht in die Kapelle im Caritasstift. In dem Heim lebt sie seit Februar 2014, noch gut kann sie sich an den Einzug erinnern. Sie war gestürzt, hatte sich das Bein gebrochen. Zurück in die Wohnung, das ging nicht, sie benötigte Hilfe.
„Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt sie. Überall kommt sie mit ihrem Rollator hin, geht gern im Garten spazieren oder besucht ihre Freundin, die ebenfalls ein Zimmer in dem Haus hat. Ob ich den Namen der Freundin nennen darf, würde ich gern wissen. Einrichtungsleiterin Sylke Jost verschwindet kurz, kommt wieder und sagt schmunzelnd. „Ich zitiere: ‘Das ist hier bekannt, dass wir Freundinnen sind.’ So sagte es eben Marianne Sonnabend zu mir.“ Else Potje lacht, nickt und meint: „typisch“.
Am heutigen Ehrentag kommt die Familie, eine Nichte reist sogar aus Österreich an. Es geht ins Restaurant zum Mittagessen und zum Kaffeetrinken. „Am liebsten esse ich Sauerkraut, Kartoffeln und Bratwurst“, verrät Else Potje. Einen Geheimtipp, wie man 100 wird, hat sie nicht. Wichtig sei, Wasser zu trinken, viele ältere Menschen tränken zu wenig.
Aus Schlesien zunächst nach Bad Tennstedt geflohen
Und dann gerät sie ins Plaudern. Erzählt von früher. Sie stammt aus Schlesien, floh nach Bad Tennstedt und lernte ihren Mann Jospeh beim Tanz kennen.
1954 zogen die beiden nach Erfurt. „Er wollte eigentlich auch 100 werden, starb aber leider mit 87“, berichtet sie.
Ihre Augen strahlen wieder und sie sagt mit fester Stimme. „Doch, ich habe einen Tipp fürs Altwerden: Zufriedenheit. Ich war immer zufrieden, mit dem, was ich hatte.“