Erfurt. Ein Schlichtungsgespräch im Rathaus mit Betreibern des Museumskellers und des HsD-Saals bringt keinen Durchbruch.

„Nee, wir geben nicht auf. So lange es geht, versuchen wir irgendwie durchzuhalten.“ Reiner Kalisch, das Urgestein vom Museumskeller, und sein Kompagnon Achim Schilling wirkten niedergeschlagen und trotzig zugleich, als sie gestern von einem über einstündigen Treffen mit Anke Hofmann-Domke, Erfurts Sozialbeigeordneter und Bürgermeisterin, kamen. Nach mehrfachen Beiträgen dieser Zeitung, die dann auch der MDR aufnahm, hatte es eine Art Schlichtungsgespräch im Rathaus gegeben.

Die Hoffnung, noch eine zeitnahe, tragfähige Lösung für den Konzertbetrieb im Saal des Hauses der sozialen Dienste (HsD) zu finden, hat sich dabei endgültig zerschlagen. Maximal im Mai 2021 könnten Rock, Blues und Liedermacher wieder in ihr Domizil einziehen. Bis dahin bleibt der 377 Quadratmeter große Saal ausschließlich der Corona-Abstrichstelle vorbehalten.

Alternativansätze und -vorschläge erwiesen sich gestern trotz intensiver Diskussion als nicht geeignet, eine Lösung im Sinne der Kultur zu finden. Trotz genehmigten Hygienekonzepts für 120 Stühle bei Konzerten im Saal. Da half auch die Unterstützung der Stadtratsfraktionsvorsitzenden Matthias Bärwolff (Linke) und Frank Warnecke (SPD) nicht aus dem Dilemma, obwohl man mit einer Reihe von Vorschlägen aufwartete, um eine Lösung des gordischen Knotens zu finden.

Es geht um den Verlust einer angesehenen Kulturstätte Erfurts

Es gehe hier nicht um die Personen Kalisch und Schilling, hatten die langjährigen Betreiber des Museumskellers und des HsD gleich zu Beginn deutlich gemacht. Konzertagenturen, Musiker, Techniker, Security, Catering, Beherbergungsbetriebe – alle hängen von den Veranstaltungen ab. Es gehe auch um den Verlust einer überregional angesehenen Kulturstätte der Stadt.

Kalisch versuchte die Containerlösung zu thematisieren. Die ungenutzten Boxen für die Flüchtlingsaufnahme vom Parkplatz Güntherstraße vors HsD als Abstrichstelle umsetzen? Geht nicht, weil die Container bis Frühjahr 2021 zweckgebunden seien und dann als Außenstelle für die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Suhl vorgehalten werden müssten. Das sei zwingend vom Land vorgeschrieben, so Hofmann-Domke.

Andere Standorte als Alternative für die Abstrichstelle? Man habe nachweislich vieles geprüft und nichts Passendes gefunden, so die Beigeordnete. Versehen mit dem Verweis, dass die Corona-Lage nicht besser werde. Im Gegenteil. Sie sei 100-prozentig überzeugt, dass die Infektionszahlen weiter steigen würden. Und deswegen müsse man darauf vorbereitet sein. Eben mit der Abstrichstelle im HsD-Saal.

Reiner Kalischs Argument, dass am vergangenen Freitag zu unterschiedlichsten Zeiten kein Mensch dort zu sehen gewesen sei, es aber 16 Abstrichstellen in der Stadt gebe, konterte Hofmann-Domke mit den zu erwartenden Corona-Test der Mitarbeiter der Pflegedienste, die ein Recht darauf hätten. Auch müsse der Saal nach Veranstaltungen jeweils desinfiziert werden und sei dann 72 Stunden nicht nutzbar. „Ich kann Ihnen keine Planungssicherheit geben“, sagte sie.

„Ich hoffe, dass wir bis Mai, bis zur Biergartenzeit, durchhalten“, so Kalischs Reaktion. Ihm sei klar geworden, dass dieses Jahr definitiv nichts mehr gehe. Fast flehentlich seine Bitte, dann doch wenigsten im Februar/März zu prüfen, ob sich nach Lage der Pandemie keine andere Unterbringung der Abstrichstelle finden lasse.

Dass er eine Chance zum Überleben habe, davon zeuge der große Rückhalt bei den Stammgästen. Die HsD-Fans haben gesammelt, fast 10.000 Euro kamen auf dem Betterplace-Portal bislang zusammen. Eine Barspende von 6600 Euro wurde Kalisch zu Beginn der Pandemie überreicht. Lange aufgebraucht. Von den im Voraus erworbenen Tickets für die Konzertsaison kreist der allergrößte Teil, 95 Prozent, rund 12.000 – davon entfällt etwa je die Hälfte auf Kalisch bzw. Fremdveranstalter – immer noch im Orbit. Man hat sie aus Solidarität nicht zurückgegeben, sondern wartet, dass man sie einlösen kann.

Hätten alle Käufer auf Rückzahlung bestanden, das Ende von HsD und Museumskeller wäre längst besiegelt. Kalisch ist es gelungen, die Bands, die er für 2020 gebucht hatte, zu überzeugen, ihre Konzerttermine auf 2021 zu verlegen.

Die Beigeordnete hatte die Thüringenhalle als Ausweichobjekt vorgeschlagen. Hier musste Reiner Kalisch abwinken. Zu teuer. Ein Konzert schlüge dort mit rund 20.000 Euro an Kosten zu Buche. Nicht zu stemmen, weil nur 400 Besucher zugelassen wären. Das träfe vom Prinzip her auch für den Kaisersaal zu. 120 Leute im HsD würden sich hingegen gerade so rechnen. Förderung aus dem Bundesprogramm Neustart-Kultur inklusive.

Gesundheitsamt soll prüfen, was im Museumskeller noch möglich ist

Ganz ohne jedes Fünkchen Hoffnung sollten gestern die Kulturschaffenden dann aber doch nicht aus dem Gespräch gehen. „Lassen Sie uns schrittweise weitersehen. Im November prüfen wir, wie es im Frühjahr für die großen Konzertveranstaltungen aussehen könnte“, so Anke Hofmann-Domke. Und das Gesundheitsamt werde angewiesen, nochmals zu prüfen, ob und welche Veranstaltungen im Museumskeller mit Hygienekonzept durchgeführt werden könnten.

Kalisch solle zudem eine Stundung der Mietkosten beantragen. Immer wieder. Am Ende könne man die gegebenenfalls ganz streichen. Das habe auch bei Rot-Weiß schon funktioniert, so Matthias Bärwolff. Zudem solle er Mittel aus der städtischen Kulturförderung für Künstler beantragen. Damit könnte ein Teil der Kosten bei kleinen Veranstaltungen abgefangen werden.

„Meine große Hoffnung war, dass wir im HsD alles irgendwie unter einen Hut bringen, Kultur und Pandemiebekämpfung. Dass das nicht geht, muss ich akzeptieren, auch wenn ich nicht glaube, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hätte“, so ein enttäuschter, aber auch irgendwie doch einsichtiger Achim Schilling, der nun in Kurzarbeit geschickt wird.

„Die Musikfans wollen Konzerte im Saal und verstehen nicht, dass man so einen großen Raum für ein paar Tische braucht. Ich habe die Stadt in den letzten 30 Jahren nie um etwas gebeten. Wir haben jedes Wochenende das Letzte gegeben. Ich melde hiermit Alarmstufe ‘Rot’ an“, so Reiner Kalisch im Schlussplädoyer. Das letzte Wort ist hoffentlich noch nicht gesprochen, so der Tenor. – Wer dem Museumskeller helfen will, kann das unter betterplace.me/museumskeller oder im Soli-Shop auf der Homepage des Museumskellers tun.