Erfurt. Ada Jabin über fehlendes Verständnis für ausbleibende Arbeitgeber-Zugeständnisse und die Einsicht, dass sich Unzufriedenheit auch auf dem Wahlzettel äußern kann.

Der Einzelhandel streikt weiter, auch in Erfurt. Schon sechs Verhandlungsrunden mit der Arbeitgeberseite sind inzwischen gescheitert. Das ist bestürzend, vor allem aus einem Grund: Der Einzelhandel ist genau dort, wo sich Jugendliche mal schnell bei ein T-Shirt oder Sportschuhe kaufen, wo sich Büroangestellte um Punkt 12 Uhr mal ein Brötchen zu Mittag holen, wo der Familienvater nach einem langen Arbeitstag den Großeinkauf für seine Frau und Kinder erledigt.

Es ist auch ein Bereich, in dem sich alles um Kundenkontakt dreht. Eine etwa an Supermarkt-Kassen oft weniger dankbare Aufgabe. Unterhält man sich mit den Streikenden, zeigen sie Frust und Enttäuschung. Sie fühlen sich benachteiligt. Die meisten sind nur in Teilzeit angestellt. Das bedeutet auch einen Nachteil bei den Tarifverhandlungen zu haben, denn die so häufig von Arbeitgeberseite angebotenen prozentualen Lohnerhöhungen bedeuten eben bei weniger Einkommen auch weniger Geld in der Tasche nach einer Einigung.

Deshalb pochen Menschen, wie Gewerkschaftssekretär Matthias Adorf, eben auf eine feste Lohnerhöhung um 2,50 Euro pro Stunde. Aber statt hier mantraartig die Forderungen der Gewerkschaft zu wiederholen, hier ein ganz anderer Gedanke: Angesichts der großen Anzahl von Beschäftigten im Einzelhandel sollten sich nicht nur Politiker, sondern auch die Arbeitgeber mal über die Auswirkung von Unzufriedenheit und dem Gefühl von Benachteiligung klar werden, gerade und vor allem während eines sogenannten „Superwahljahres“.

Und übrigens, eine Mehrheit von 62 Prozent der Befragten des Thüringen Monitors von 2023 ist sich einig, dass Angestellte in Branchen mit Fachkräftemangel besser bezahlt werden sollten. Unter den Befragten waren dann wohl nicht die Konzernchefs. In solchen Fällen ist es fast schade, dass es in solchen Fragen keine direkte Demokratie nach dem Schweizer Vorbild gibt.