Brühlervorstadt. Brunhilde und Werner Orban feierten gestern die äußerst seltene Gnadenhochzeit. Eheleute verbringen Berufsleben im Funkwerk und als Grundschullehrer

Sie empfinden es selbst als eine Gnade, das äußert seltene Jubiläum der Gnadenhochzeit feiern zu dürfen: Brunhilde und Werner Orban. Für das Ehepaar bedeutete in all den gemeinsamen Jahren die Familie stets mehr als Geld und Gut. Am 12. August 1949 führte der Weg der in Percha bei Starnberg geborenen Brunhilde und den Erfurter Werner Orban zum hiesigen Standesamt, um sich trauen zu lassen. Zwei Jahre später ließen sie ihren Bund in der evangelischen Predigerkirche segnen.

Zuvor durchlitten beide die Zeit des Zweiten Weltkriegs hungrig und voller Entbehrungen, sahen unzählige Tote. Mit 18, im letzten Jahr am Gymnasium, wurde Werner Orban als Soldat eingezogen. Naturwissenschaftlich begabt, wollte er eigentlich Arzt werden, ließ sich noch vor dem Kriegseinsatz an der Universität in Jena als Anwärter zum Studium vormerken. Nach der Kapitulation Deutschlands geriet der inzwischen 20-Jährige in französische Gefangenschaft. Dort mussten die Insassen hinter Stacheldraht in Erdlöchern, bestenfalls in Zelten ausharren. Da holte sich der Erfurter eine schwere Schwindsucht (Lungentuberkulose). Er brauchte mehr als zehn Jahre, um sich einigermaßen davon zu erholen.

Auf dem Briefweg begann die Bekanntschaft mit Brunhilde. Die Familie der jungen Frau verschlug es schon 1933 nach Berlin, um furchtbare Bombennächte durchleben zu müssen. In Schleswig-Holstein fanden die einstigen Bayern zunächst ihr kärgliches Auskommen. Durch den Briefwechsel erfuhr Brunhilde vom Aufenthalt Werners in einem württembergischen Sanatorium, wo sie ihn besuchte.

So leidlich gesundheitlich wieder hergestellt, lebte der Kriegsversehrte zunächst bei den Eltern in Erfurt – mit dem eisernen Willen, wieder gesund zu werden. Schon bald holte er die junge Frau nach Erfurt. Brunhildes Mutter drängte darauf, dass die jungen Leute heiraten sollten, denn eine „wilde Ehe“ konnte und durfte es zu damaliger Zeit nicht geben. Auch wenn das junge Paar nicht viel mehr als ein paar Habseligkeiten besaß. Als so genannter Neulehrer ließ sich Werner Orban 1950 anwerben, arbeitete fortan 34 Jahre lang als Grundschullehrer. Außerdem gründete er eine Foto-Arbeitsgemeinschaft, später leitete er eine Englisch-AG. Er selbst frönte ausgiebig dem Schwimmen, wozu er auch die 1952 und 1962 geborenen Söhne animierte.

Brunhilde Orban erlernte den Beruf der kaufmännischen Angestellten, arbeitete, abgesehen von den Zeiten zur Kindererziehung, bis zur Rente im Erfurter Funkwerk. Allerdings nur halbtags, damit genügend Zeit für die Söhne blieb. Einen kleinen Zuverdienst brachte das Bemalen von vorgefertigtem Holzspielzeug ein. Wenn die Kinder schliefen, saßen Brunhilde und Werner oft bis tief in die Nacht hinein vor den Farbtöpfen. Die kreativ veranlagte Ehefrau malte „wie ein kleiner Gott“, fügt Werner Orban hinzu. Der Verkauf der Bilder ergab ein weiteres Zubrot. Jede Menge Obst und Gemüse aus dem Garten am Haus half zusätzlich, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Oft blieb so viel übrig, dass Orbans einen Teil der Ernte verkaufen konnten.

Der Ehemann schätzt an seiner Frau deren Ruhe und das Versöhnende, wenn er von der Familie zuweilen gar zu viel forderte. „Das Leben hat uns zusammengeschweißt“, ergänzt Brunhilde Orban. Sie mag an ihrem Mann dessen tausendfache Ideen, aber auch, dass er liebevoll und treu sei.