Erfurt. Gerade an den heißen Tagen ist der Friedhofsbus ein gefragter Service. Gelände am Brühler Herrenberg ist mehr als 57 Hektar groß

Es ist ein Montag am Haupteingang des Friedhofs in der Binderslebener Landstraße. Um ein Bushaltestellenschild füllen sich die Bänke mit Wartenden: eine Frau mit zwei Krücken, begleitet von der erwachsenen Tochter, bepackt mit Gießkanne und Blumen. Eine alte Dame hat einen Spickzettel „mit Koordinaten“ in der Hand .

Pünktlich um 10 Uhr fährt der weiße Friedhofsbus vor. Chris Samuel (27) hat in dieser Woche Busdienst, hilft beim Ein- und Aussteigen. Er hat Garten- und Landschaftsbau gelernt. Auf der Fahrt zum Grabfeld K erzählt er, dass dazu mehr als pflanzen und jäten gehört.

Seine Arbeit sei vielfältig. Nun freut er sich auf die Begegnungen. K 21 steht auf dem Zettel der 80-Jährigen. Der junge Friedhofsgärtner weiß, wo sie hin müssen. Seit 2011 arbeitet er auf dem 57 Hektar großen Areal zwischen Osttor am Brühler Herrenberg und dem Westtor noch hinterm Kreuzchen mit über 50 Grabfeldern, Sonderanlagen und einer 105-jährigen Geschichte als Zentralfriedhof.

Jutta Rapp muss zu den Baumgräbern. Vom Haupteingang sind das eineinhalb Kilometer hin – und zurück. Das schafft sie mit dem Rollator nicht mehr. In der ersten Trauerzeit kaufte sie jedes Mal eine Einfahrtgenehmigung für 15 Euro, bis sie den Bus entdeckte. Hätte sie eine Schwerbehinderung (60 Prozent) bräuchte sie bei Vorlage der Dokumente für eine Jahreserlaubnis nur 2,56 Euro bezahlen. Zu der seltsamen Summe erklärt Friedhofsamsleiter Jens Kratzing: „Das waren vorher 5 D-Mark.“

Unterwegs zwischen Ostern und Totensonntag

Den kostenfreien Busservice gäbe es schon Jahrzehnte. Vor allem im Sinne der Totenruhe wolle man den Individualverkehr auf den Friedhofsgelände begrenzen. In den Fahrdienst teilen sich die Mitarbeiter mit einer Fahrerlaubnis. Statt fester Routen gäbe es den Zubringerdienst an die gewünschten Grabfelder.

Zwischen Ostern und Totensonntag fährt der Bus derzeit Montag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 12.30 Uhr sowie zwischen 13 und 16 Uhr. Einen Fahrplan brauche man auch nicht, in wenigen Minuten halte er wieder am zentralen Zustieg am Haupteingang. Nur die Mitnahme von Hunden sei ausgeschlossen.

Im Schritt-Tempo durchfährt Chris Samuel die schattige Baumallee. Es gibt zwei Hauptwege über das Gelände, einen inneren und äußeren Ring. Im Grabfeld K sind die Erdgräber. Hier war wohl wirklich lange niemand. Die Besucherin hat Utensilien zur Pflege dabei, wünscht in 30 Minuten wieder abgeholt zu werden. Sei sie früher fertig, dann werde sie auf einer Bank in Sichtweite warten. An diesem Ort gilt ein anderes Zeitverständnis.

Chris Samuel hat auf seinem Tagesplan weitere Uhrzeiten notiert, dazu Buchstaben und Zahlen, für Planquadrat und Grabnummer. Aber meist stehen seine Fahrgäste schon am Wegesrand. Die Frau mit ihrer Tochter kümmert sich um mehrere Gräber, kommt regelmäßig. Sie kenne die Fahrer – und ja, es gibt auch eine Fahrerin. Jutta Rapp lobt die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, will auch mal Danke sagen für den Service der Stadt.