Erfurt. In diesem Jahr werden nur 250 neue Wohnungen fertig gestellt. Fehlende Grundstücke engen Handlungsspielraum ein

Scheinbar überall in Erfurt wird gebaut. Doch mit einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Die Nachfrage von 800 neuen Wohnungen und 200 Einfamilienhäusern im Jahr konnte im Vorjahr mit 580 und kann in diesem Jahr mit nur 250 Wohnungen keinesfalls befriedigt werden. Erst ab 2020 rechnet man mit rund 1100 neuen Wohnungen pro Jahr.

Diese Zahlen nannte Erfurts Chef-Stadtplaner Paul Börsch am Donnerstagabend auf dem Zukunftsforum im Hotel Mercure. Die von Frank Karmeyer, Redakteur dieser Zeitung, moderierte Diskussion war so dynamisch wie der Wohnungsmarkt. Denn die Schlüsselfrage, wie das Wohnen bezahlbar bleiben soll, lässt sich mit Neubauprojekten allein nicht beantworten.

Die Stadt will mit dem jüngst vom Stadtrat beschlossenen Baulandmodell eine weitere Antwort auf die Frage gefunden haben. Jede fünfte neue Wohnung im Geschosswohnungsbau muss demnach als mietpreisgebundene Sozialwohnung angeboten werden.

Doch bekam das Modell ein paar Kratzer ab. Investor Tobias Schallert von Tempus Immobilien, der am Thüringen-Park ein „Europa-Karree“ aus 400 Wohnungen bauen will, nannte das Modell gut für eine bessere soziale Durchmischung der Stadt – Anspruchsberechtigte würden dann auch in bessere Wohnlagen ziehen. „Aber die Anzahl reicht nicht aus, um das Problem insgesamt zu lösen“, meinte Schallert.

Auch Uwe Flurschütz, Sprecher des Bündnisses „Erfurt für alle“, zeigte sich skeptisch. Weil die Mietpreisbindung nur 20 Jahre lang gilt, werde der Mangel an preiswerten Wohnungen einfach nur in die Zukunft verschoben. Alternative Wohnprojekte und Erbpachtmodelle, bei denen die Stadt Baugrundstücke verpachtet, senkten hingegen den Baupreis.

Amtsleiter Börsch stimmte zwar zu. Leider habe Erfurt aber nie viele Grundstücke besessen und um die Jahrtausendwende viele Grundstücke verkauft. Und die restlichen für Wohnungsbau verwertbaren Flächen seien gerade an die Kowo veräußert worden, um den Schulbau zu finanzieren.

Sollten die großen WBG mutiger sein?

Ein Mietpreisdeckel, wie er in Berlin diskutiert wird, mache in Erfurt keinen Sinn. Das betonte erneut Frank Emrich, Verbandschef der Thüringer Wohnungswirtschaft. Solch eine Bremse verhindere Investitionen und bestrafe die, die bisher noch günstige Mieten anbieten.

Hilft also doch nur Neubau? Mietpreise in neuen Wohnungen sind zwar wegen der Baupreise in Erfurt nicht unter 9,50 Euro pro Quadratmeter zu haben. Doch werden durch die Umzüge ältere und damit günstigere Wohnungen frei.

Für den Neubau könnte Erfurt jedenfalls noch mehr tun, fand Investor Schallert. Er lobte zwar die Bauverwaltung, die inzwischen „aufs Gaspedal“ drücke. Doch einem Vergleich zum Beispiel mit Halle, wo Schallert ebenfalls investiert, halte Erfurt insgesamt nicht stand.

Bauen sei dort Chefsache, meinte der Investor. Der Hallenser OB ermutige die Investoren in wöchentlichen Runden, setze sich für schnelles Baurecht ein und sende so auch ein Signal, dass sich preistreibende Grundstücksspekulationen einfach nicht lohnen würden.

Aber auch die großen Wohnungsbaugenossenschaften seien in Halle aktiver. Die Erfurter Passivität auf diesem Sektor konnte sich Schallert nicht erklären. „Sie schaden sich selbst und dem Gemeinwohl“, sagte er. Und die Kowo habe nach dem Grundstückskauf von der Stadt weder das Geld noch die Leute, in großem Stil neu zu bauen.

Es war an Verbandschef Emrich, die WBGs zu verteidigen. Im Gegensatz zu den Investoren, die ihre Wohnungen veräußerten, seien die WBGs für den Bestand verantwortlich. Investitionsentscheidungen würden für die nächsten 80 Jahre getroffen und bräuchten daher ihre Zeit. Immerhin 38.000 Wohnungen hätten die Genossenschaften und die Kowo derzeit – mit durchschnittlichen Mietpreissteigerungen von nur 1,5 Prozent im Jahr und mit Durchschnittsmieten von 5,40 Euro.