Erfurt. „Das jüdische Erbe ist gesetzt“: Kulturdezernent plant Entwicklungskonzept. Volkskundemuseum bald ohne Leitung

Die Erfurter Museumslandschaft soll neu geordnet werden. Kulturdezernent Tobias Knoblich (parteilos) hat ein Museumsentwicklungskonzept angekündigt, das die Ausrichtung der Museen in den nächsten Jahrzehnten vorgeben soll.

Die Aufgabenstellung, die zugleich die Arbeitsrichtung bestimme, wolle er dem Stadtrat im Herbst zur Bestätigung vorlegen, bestätigt Knoblich. Das Konzept selbst solle von externen Experten und mit Hilfe von Fördermitteln erstellt werden.

Ein Ziel des Konzeptes sei es zum Beispiel, „zwei bis drei Schwerpunkte“ für Erfurt zu identifizieren und die Museen dann auf diese Schwerpunkte hin zu entwickeln. Ein Schwerpunkt sei bereits gesetzt. „Globale Bedeutung hat in Erfurt ausschließlich das jüdische Erbe“, sagt Knoblich und erinnert an das Bewerbungsverfahren für das Unesco-Welterbe.

Nach den Plänen des Dezernenten würde das Konzept im kommenden Jahr erarbeitet. Die Empfehlungen könnten dann 2021 diskutiert werden, so dass die ersten daraus mündenden Beschlüsse in den Haushalts-Planungen nach der Buga berücksichtigt werden könnten.

„Bis dahin schließen wir kein Haus“, betont der Dezernent. „Es können aber auch keine größeren Investitionen erfolgen, bis Klarheit über die künftige Ausrichtung besteht.“

Einzige Ausnahme sei das Naturkundemuseum, an dessen zeitnaher Erweiterung Knoblich trotz der kürzlich bekannt gewordenen Bedenken aus dem Gebäudeamt festhält. „Das Haus spielt in der Thüringer Museumslandschaft eine vordere Rolle“, meint Knoblich und lobt ausdrücklich auch die erfolgreiche Arbeit der Präparatoren.

Enttäuschende Besucherzahlen

Insgesamt sei er aber mit den Nutzerzahlen und mit der Erfüllung der museumspädagogischen Aufgaben in Erfurt nicht zufrieden. „Es gibt zu viele kleine Ausstellungen, zu wenig Kapazität für Vermittlung“, findet der Dezernent – wobei natürlich auch kleine Ausstellungen ihre Berechtigung hätten. Das Museumskonzept müsse aufzeigen, welche Ansprüche die verschiedenen Häuser, die oft unter baulichen Beschränkungen und Personalmangel litten, überhaupt bedienen können und wie man neue Akzente setzen kann. Auch die Zukunft des Volkskundemuseum müsse im Konzept betrachtet werden. Die Museumsleitung werde deshalb nach dem Ausscheiden der Direktorin Marina Moritz Ende Oktober vorerst nicht neu besetzt. „Vielleicht brauchen wir ja gar keinen Volkskundler, sondern jemanden mit anderer Profession“, meint Knoblich.

Seine Skepsis gegenüber der bloßen Fortsetzung des aktuellen Konzeptes, die der Dezernent bereits zu seiner Zeit als Kulturdirektor geäußert hatte, ist nicht geringer geworden. Das Museum leiste zwar fachlich sehr gute Arbeit, sagt er und wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, das Museum „austrocknen“ zu wollen. Aber deutschlandweit seien viele Häuser längst von dem traditionellen Konzept der „Selbstbespiegelung“ regionaler Kultur abgekommen und hätten sich stärker interkulturellen Themen zugewandt.

Die Museumsstandorte, nicht nur des Volkskundemuseums, sollten ebenfalls betrachtet werden. „Das Konzept muss sich dabei auch mit dem Petersberg auseinander setzen“, sagt Knoblich „Nicht nur mit dem angekündigten Landesmuseum, sondern auch mit dem Umbau des Kommandantenhauses entsteht dort ein neues Gravitationszentrum. Wir müssen vernetzter denken.“

Problematische Depot-Situation

Dass bei der nötigen Publikumslenkung der Krönbacken an der Michaelisstraße in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen könnte, glaubt Knoblich auch nach dem Scheitern des „Geschichtsportals“. „Der Krönbacken kann eine Station sein, von der aus die museale Landschaft erschlossen wird“, findet Tobias Knoblich. Man müsse „neu denken und diskutieren“.

Schließlich soll das Konzept auch die Lösung für einen lange übersehenen Mangel finden helfen: Erfurts problematische Depot-Situation. Während andere Städte handelten, sei die Frage einer angemessenen und zentralen Deponierung von Kulturgut in Erfurt seit der Wende nie wirklich in Angriff genommen worden.

„Der Hauptanteil unseres Kulturgutes liegt im Depot“, sagt der Dezernent und weist darauf hin, dass manche Kulturgüter wegen der unzureichenden Bedingungen bereits verloren gegangen seien. „Wir müssen die räumlichen und klimatischen Bedingungen dafür schaffen, dass auch spätere Generationen sich damit beschäftigen und dass Sammlungen weiter entwickelt werden können“, findet Knoblich.

Im Idealfall werde diese Herausforderung gemeinsam mit dem Stadtarchiv angegangen, dessen aktueller Mietvertrag an der Gotthardtstraße zeitlich begrenzt ist. Pläne der Stadt für einen Archiv-Neubau am neuen Technischen Rathaus an der Warsbergstraße sind verworfen worden. Ein gemeinsamer Neubau für Archiv und Depot an anderer Stelle könne beim Bau und bei der Bewirtschaftung Synergien ergeben, so Knoblich.