Erfurt. Susanne Schaller ist eine von 50 Grünen Damen am Erfurter Helios-Klinikum. Sie kümmern sich ehrenamtlich um die verschiedensten Wünsche und Bedürfnisse der Patienten.

In der Notaufnahme des Helios-Klinikums trubelt es fast immer. Ärzte und Schwestern rennen vom Behandlungszimmer in den Diagnostikraum, in die Wartezimmer, ins nächste Behandlungszimmer. Und in der Aufnahme werden die Kranken nach Dringlichkeit eingeschätzt. Rot bekommen die, denen schnellstmöglich geholfen werden muss. Die mit dem grünen Punkt in der Karteikarte müssen länger warten. Es besteht keine Lebensgefahr. Ihnen wird auch geholfen – aber halt ein bisschen später.

Mitten durch diesen Trubel geht Susanne Schaller. Sie hat einen schwarz-grünen Schal umgeworfen und trägt um den Hals einen Schutzengel an einem kleinen Silberkettchen. Sie hört zu. Redet begütigend auf Menschen ein. Spricht wartende Angehörige im Vorraum an. Hält Menschen im Behandlungszimmer die Hand. Und wenn eine Ärztin kommt oder aber ein Pfleger, dann tritt sie sofort zurück. Mit Medizinischem hat sie nichts zu tun. Susanne Schaller ist eine Grüne Dame und für den Einsatz aller 49 Frauen und des einen Herrn zuständig, die am Erfurter Helios-Klinikum Kranken und damit auch Schwestern und Pflegern unentgeltlich im Ehrenamt beistehen.

Mit geschenkter Zeit Sinnvolles anfangen

Drei Stunden pro Woche macht sie das nebenher zu ihrem Job in einem großen Einkaufszentrum. Sie spricht von „bezahlter und unbezahlter Arbeit“. Weil beides wichtig ist. „Die Schwestern haben ja gar nicht die Chance, sich Zeit für Gespräche zu nehmen“, weiß sie. Gespräche über Angst zum Beispiel. Oder für das Gefühl der Kranken, dass sich jemand Zeit nimmt. Einfach so. „Wir alle können in eine solche Situation kommen, dass wir für diese Zuwendung dankbar sind“. Auch Susanne Schaller kennt solche Zeiten, da sie einer Krankheit ausgeliefert war. In dieser Zeit, damals war sie um die 40, entschied sie sich dafür, im sozialen Bereich ehrenamtlich etwas tun zu wollen. „Ich hatte ja selbst erlebt, wie wohltuend Zuwendung ist“, so ihre Erinnerung.

Das eigene Erleben ist offensichtlich ein wichtiges Motiv, warum sich überwiegend Frauen für die Hilfe als Grüne Dame engagieren. Überwiegend sind es Damen jenseits des Berufslebens. Sie wollen mit ihrer geschenkten Zeit Sinnvolles anfangen. Die einen im Krankenhaus, die anderen in Altenheimen. Sie waren in Erfurt Krankenschwester, Apothekerin, Medizintechnikerin, Verkäuferin. . . Viele sagen, sie wollen nicht einfach auf dem Sofa sitzen sondern nützlich sein. So haben sie es Susanne Schaller erzählt. Aber sie will nicht als eine da stehen, die einfach nur selbstlos ist. „Es ist nicht so, dass der Kontakt zu den Kranken und Verletzten einseitig etwas bringt. Das Miteinander geht auch anders herum“, sagt sie. Sie empfindet eine tiefe Zufriedenheit, dass sie helfen darf. Und auch die Demut vor dem Leben ist gewachsen. Zugleich ist sie heute unduldsamer als früher. Wenn ihr jemand erklärt, wie traurig es doch sei, dass etwas ausverkauft sei, dann entgegnet sie, dass andere Dinge traurig sind. Eine tödliche Erkrankung zum Beispiel. Oder die Trauer um einen Menschen. Oder auch ernsthafte Missgeschicke.

Manchmal ist auch Detektivarbeit gefragt

Wenn sie mittwochs in die Notaufnahme kommt, weiß sie nie, was sie erwartet. Mal bitten die Kranken um etwas zu trinken, mal um einen Anruf. „Das hat mitunter etwas Detektivisches“. Einmal, das ist noch gar nicht lange her, wird ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert, der einen Schlaganfall erlitten hat. Gern hätte er, dass seine Lebensgefährtin davon erfährt. Sie wohnen nicht zusammen. Doch der Schlag hat seine Erinnerung an die Telefonnummer gelöscht. Und auch ihren Nachnamen. Susanne Schaller kämpft. Und findet tatsächlich die Nummer dieser Frau heraus und ruft an. Der Mann ist froh. So geht Hilfe. Leise. Längst tragen Frauen wie Susanne Schaller keine grünen Kittel mehr, zumindest nicht in Thüringen. Das war damals, vor 50 Jahren. Als in den Altländern die Frau des Professors, Frau Professor also, Gutes tun wollte. Mitunter gibt es dort die grünen Kittel immer noch. Heute reicht hier in Thüringen zumeist der grün-schwarze Schal auf ganz normaler Kleidung. Und ein Schild, auf dem der Name steht und der Hinweis, dass hier eine Grüne Dame unterwegs sei.

Einfühlungsvermögen ist Vorraussetzung

Grüne Dame oder auch Grüner Herr werden kann beinahe jeder. „Allerdings braucht man Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, sich selbst zurück zu nehmen. Es geht nicht um dich, es geht um die Kranken“, sagt Susanne Schaller. Das klingt nach Selbstlosigkeit und ist es wohl auch.

Dass die Grüne Dame oder der Grüne Herr Nächstenliebe leben, ohne selbst religiös sein zu müssen, bringt ein Miteinander, das zu mehr Gesundheit führen kann. „Weil wir die Zeit geben, die andere oft nicht haben“, sagt Susanne Schaller. Die Psyche ist bekanntlich eine wichtige Begleiterin auf dem Weg zur Besserung.

Landesbeauftragter Karl-Heinz Kümritz über das Wirken der Grünen Damen und Herren in Thüringen

Karl-Heinz Kümritz, Landesbeauftragter der Grünen Damen und Herren
Karl-Heinz Kümritz, Landesbeauftragter der Grünen Damen und Herren © Esther Goldberg | Esther Goldberg

Am Donnerstag, 21. November, findet in Erfurt eine Regionaltagung der Grünen Damen und Herren der Evangelischen Kranken- und Altenhilfe statt. Der Landesbeauftragte für Thüringen ist seit diesem Jahr Karl-Heinz Kümritz. Ein Gespräch.

Wie viele grüne Damen gibt es in Thüringen?

Wir haben etwas mehr als 300 und auch 12 Herren sind dabei. Wir sind in 34 Krankenhäusern und Einrichtungen unterwegs.

Wie ist die Idee der Grünen Damen und Herren entstanden?

Die Idee kommt aus den USA. Dort sind es die Pink Ladys. Vor 50 Jahren begründete Brigitte Schröder aus Nordrhein-Westfalen die Grünen Damen. Eine Patientin erzählte den Ärzten, dass eine Grüne Dame bei ihr gewesen sei. So ist der Name entstanden.

Was können und dürfen die Ehrenamtlichen?

Sie sind gewissermaßen der Besuchs- und Lebensdienst in nahezu allen Regionen des Landes. Sie geben das, was die Hauptamtlichen nicht haben, nämlich Zeit. Grüne Damen erhalten keinerlei pflegerische Aufgaben. Die dürfen und wollen sie nicht übernehmen. Die Seelen der Kranken und der Grünen Damen sollen sich im Sinne christlicher Nächstenliebe berühren.

Heißt das, die Grünen Damen sind christlich orientiert?

Nein, nein. Auch, wenn dieses Ehrenamt von der evangelischen Kranken- und Altenpflege initiiert wurde. In Gera haben wir eine syrische Kollegin zum Beispiel. Und in Thüringen sind 70 Prozent der Menschen kein Mitglied einer Kirche. Die wollen wir doch nicht ausschließen. Das gilt auch für die Kranken. Wer einsam und unsicher ist, ist froh um Zuwendung.

Welche Voraussetzungen sind nötig?

Man muss bereit sein, Zeit zu investieren, mindestens drei bis vier Stunden pro Woche. Zudem gehören Freundlichkeit und Empathie dazu. Nicht zuletzt sollten diejenigen, die anderen unentgeltlich helfen wollen, psychisch und physisch stabil sein.

Wie alt sind die Grünen Damen?

Zumeist sind es Frauen und Männer jenseits des Berufslebens. In Thüringen haben wir wenige Menschen unter 50 Jahren, die meisten sind weit über 60. Wir würden uns natürlich freuen, kämen auch Jüngere, um aktiv zu werden.

Gibt es genug Bewerbungen?

Nein, es ist schwierig. Vielleicht ist die Hemmschwelle recht hoch, wenn es um Krankheit und Tod geht. Da kommen wohl eigene Ängste herauf.

Erhalten Interessierte eine Ausbildung?

Ja, wir bieten Weiterbildungen in vier Modulen an, beispielsweise zu Kommunikation. In Gera wurde eine Gruppe aufgebaut, die sich um an Demenz erkrankte Menschen kümmert. Die Ehrenamtlichen bekommen zudem eine Supervision.

Wer Interesse an diesem Ehrenamt hat, kann sich direkt an den Landesbeauftragten wenden: 0365-51335512 oder kuemritz@ekh-deutschland.de