Erfurt. Eine Internationale Konferenz am Max-Weber-Kolleg beleuchtet schwierige Seiten der Dankbarkeit und wirft aktuelle Fragen auf.

Dankbarkeit gilt als Tugend. Eine internationale Konferenz unter dem Titel „The Shadow Side of Gratitude“ (Der Schatten der Dankbarkeit) widmet sich in der kommenden Wochen ausschließlich dieser Charaktereigenschaft – dafür aber auch unter verschiedenen Gesichtspunkten und greift dabei sogar mit einem öffentlichen Vortrag die „Gutmenschen“-Debatte auf.

Kathi Beier ist Doktor der Philosophie und Junior Fellow am Max-Weber-Kolleg. Sie forscht u.a. zum Begriff der Tugend. Sie gibt im folgenden Beitrag einen gedanklichen Ausblick auf das Thema und die Tagung:

Dankbarkeit ist eine gute Sache. Jeder von uns hört gerne ein ehrliches Wort des Dankes. Zu den ersten sozialen Verhaltensweisen, die wir unseren Kindern beibringen, gehört, „Danke“ zu sagen. Dankbarkeit fühlen, dankbar sein, Dank sagen – das bereichert unser Leben. Zu dieser Erkenntnis kommen immer wieder Wissenschaftler verschiedener Disziplinen. So betont die Positive Psychologie die guten Effekte, die Dankbarkeit für das eigene Wohlbefinden hat. Sie trägt u.a. zu einer stabilen Gesundheit bei. Und sie bewirkt, dass erfreuliche Ereignisse noch intensiver erlebt und unerfreuliche positiv gedeutet werden können.

Der Theologe Meister Eckhart, von 1304 bis 1311 Prior des Erfurter Dominikanerklosters, verglich die Dankbarkeit mit der Gebärfähigkeit einer Frau – und schuf so den Begriff der „Dankbaerkeit”. Wer die Welt und sein Leben als ein Geschenk, als eine Gabe Gottes begreift, so wollte er damit sagen, der will seine Freude darüber anderen mitteilen. Er will das empfangene Gute weitergeben.

In der Philosophie wird Dankbarkeit als Gefühl und als Tugend, d.h. als lobenswerte Charaktereigenschaft betrachtet. Sie ist, allgemein definiert, eine affektive oder tätige Reaktion einer Person auf eine ihr erwiesene Wohltat, die freiwillig erfolgte. Oft wird sie der Gerechtigkeit zugeordnet, weil sie oft mit Tauschverhältnissen zu tun hat. Dank spielt gerade dann eine Rolle, wenn wir das Gute, das uns widerfährt, nicht gleich oder nicht vollständig mit einer Gegenleistung vergelten können.

Wer jetzt z.B. in den Urlaub fährt, wird vielleicht andere darum bitten, für die Blumen zu sorgen. Das lässt sich vertraglich regeln: Du gießt meine Blumen, ich gebe dir 20 Euro. Auch hier ist Dankbarkeit am Platze, wenn auch nur als Beigabe. Ist der Blumendienst dagegen ein Gefallen, dann ist der Dank notwendig und viel größer. Aus ihm kann später eine Gegengabe erwachsen. Doch schon bei Seneca heißt es: “Wer es mit der Rückgabe eilig hat, hat nicht die Gesinnung des Dankbaren, sondern des Schuldners”. Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant, geboren 1724, geht noch einen Schritt weiter. Für ihn ist Dankbarkeit „heilige Pflicht”. Man kann sie moralisch einfordern, aber die Dankesschuld lässt sich nie völlig tilgen.

Am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt kommen nächste Woche Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusammen, um gemeinsam über die schwierigen Seiten der Dankbarkeit nachzudenken. Diskutiert wird dann u.a. über Abhängigkeit, Asymmetrie, Scham und die Frage, ob Dankbarkeit zur Last werden kann. Ist undankbar, wer das vom Wohltäter verlangte Schlechte nicht tun will? Setzt Dankbarkeit ungleiche soziale Beziehungen voraus – und zementiert sie diese? Glanz und Schatten der Dankbarkeit, das ist den Beteiligten klar, liegen zuweilen dicht beieinander.