Erfurt. Die Stadt kann den personellen und organisatorischen Aufwand nicht mehr stemmen. Kirchen wollen ein neues Konzept.

Am Vorabend des Martinstages, am 10. November, findet in Erfurt die traditionelle Martinsfeier statt. In Vorbereitung auf den abendlichen Höhepunkt gibt es bereits ab 10 Uhr der Martinimarkt, auf dem es alles gibt, was von der Tradition her mit diesem Anlass verbunden ist, wie Martinsgänse, -hörnchen, -laternen und viele andere Dinge. So steht es auf der Internetseite der Stadt Erfurt. In diesem Jahr müsste allerdings ein dicker schwarzer Stempel darübergelegt werden – Fällt aus!

Denn es wird – Stand jetzt und zu 90 Prozent – in diesem Jahr den Martinimarkt nicht geben. Das hat vielschichtige Gründe. „Wir kriegen es nicht hin“, sagt Tobias Knoblich, Kultur- und Stadtentwicklungsbeigeordneter des Oberbürgermeisters. Die Stadt könne das Personal, das die Hütten betreibt, nicht mehr bereitstellen. Nicht in diesem Jahr und auch nicht in den Folgejahren. Erfurt habe einen riesigen Veranstaltungskalender. Das sei nicht zu stemmen. Zudem seien die Prozesse schwerfälliger, die Sicherheitsanforderungen höher, insgesamt alles komplizierter und strenger geworden. Knoblich: „Wir sind keine Verhinderer, aber wir müssen uns an alle möglichen Vorgaben, Gesetze und Regelungen halten.“ Der Regelungswahn der EU schlage selbst hier durch, konkret im Vergabe- und Konzessionsrecht. Alles müsse ausgeschrieben werden. Der ganze Papierkrieg binde Personal und koste Zeit. Und man habe zudem große Probleme, die notwendigen Stellen – z.B. eines Meisters oder einer Fachkraft für Veranstaltungstechnik – überhaupt zu besetzen.

Kirchen sehen Markt am Vormittag mit Skepsis

Fünf städtische Mitarbeiter hätten in der Vergangenheit den Martinimarkt organisiert und am Tag der Veranstaltung betreut. Das sei nicht mehr zu leisten. An irgendeiner Stelle müsse man bei der Fülle der Aufgaben, die die Stadt zu bewerkstelligen habe, schließlich eine Entscheidung treffen und den Veranstaltungskalender ausdünnen. Dass die Entscheidung bei den eigenen Mitarbeitern nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt, gab Knoblich unumwunden zu. Er habe aber auch eine Fürsorgepflicht für sein Personal, das zuweilen sogar vor sich selbst geschützt werden müsse. Deswegen sei die Stadt raus und der Ball liege nun im Feld der beiden Kirchen.

„Wir sind nicht erfreut über die Absage der Stadt, die uns etwas überrascht hat“, sagt Senior Matthias Rein vom Evangelischen Kirchenkreis Erfurt. Tieftraurig sei er aber nicht. Es habe verschiedene Belebungsversuche für den Martinimarkt gegeben und man habe versucht, Initiativen aus dem Ehrenamtsbereich zu aktivieren – vergebens. Viele Vereine könnten das ebenfalls nicht leisten. Rein sagt schließlich nachdenklich, dass die Resonanz aus der Bevölkerung auf den kleinen Markt „nicht riesig“ gewesen sei. Zumal viele Kindergärten und Stadtteile am Vormittag eigene, dem Tag angemessene Veranstaltungsprogramme hätten und deswegen nicht auf den Domplatz gehen würden. Ein Zwiespalt. Rein hält es für sinnvoller, am Nachmittag, im Umfeld der eigentlichen Martinsfeier mit dem Gottesdienst, etwas Attraktives zu gestalten.

Ein Vorschlag

Noch deutlicher wird Anne Rademacher, Seelsorgeamtsleiterin im Bistum Erfurt. „Ich bin nicht böse über den Wegfall des Martinimarktes am Vormittag. Das war doch immer sehr verkrampft. Und das war auch nicht Kirche, das war eher ein Aushängeschild der Stadt Erfurt“, sagt die Katholikin. Aber nur den Gottesdienst zu halten ohne Drumherum, ohne Möglichkeiten, sich begegnen zu können, finde sie auch nicht gut.

Die Möglichkeit, an den Gottesdienst vor den Domstufen mit etwas „andocken“ zu können, habe schließlich etwas sehr sympathisches. „Zwei Stunden vorher, eine danach, das wäre eine gute Sache“, so Rademacher. Denn die Leute wollten schließlich nicht nur rumstehen und wieder verschwinden, sondern sie wollten sich begegnen.

Ihr Vorschlag: Katholische und evangelische Kirche setzen sich mit der Stadt an einen Tisch und beraten, wie das Martinstag in Zukunft gestaltet werden könnte.

Ein Vorschlag, über den zu reden es durchaus wert ist.