Kleinfahner. Zimmerei Pohl aus Gierstädt hat die Bockwindmühle mit solidem Handwerk vor dem Umkippen bewahrt

Da war etwas gehörig schiefgelaufen. Und das Schicksal der Bockwindmühle in Kleinfahner wäre um ein Haar besiegelt gewesen. Sie wäre irgendwann umgekippt. Aber da gibt es ja noch, gleich nebenan, in Gierstädt, Experten.

1728, man kann es auf einer Tafel lesen, ist die Bockwindmühle Kleinfahner erstmals urkundlich erwähnt worden. 1861 wechselte der Mühlenbesitzer, 1893 brannte die Mühle ab. Mehlstaub hatte sich selbst entzündet, 1912 brachen im Sturm alle Flügel ab, 1943 schlug der Blitz ein. Und 1970 wurde zum letzten Mal Getreide gemahlen. Die Geschichte des hölzernen Zeitzeugen ist reich an Anekdoten.

1986 nahm man sich die demolierte Mühle vor und sanierte sie. Allerdings wurde damals Fichtenholz genommen. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Denn einer der zahlreichen Vorbesitzer hatte ein paar Regeln für Holz ignoriert. Er schüttete später den Boden auf, um alles rund um den Dreiseitenhof zu pflastern. Die Mühle stand danach sozusagen im Dreck. Holz, vor allem Fichte, und Nässe vertragen sich allerdings nicht gut. Eigentlich überhaupt nicht. Der Verfall im Unterbau schritt voran. Bis der aktuelle Besitzer die Gefahr erkannte. Und handelte. Er beauftragte die Gierstädter Zimmerei von Tobias Pohl, die Mühle vor dem Umkippen zu bewahren.

Die Bestandsaufnahme der Schäden zeigte, dass das Schwellenkreuz unter der Mühle verfault war. Es stand früher frei auf einem Betonfundament. An der frischen Luft. Bis gepflastert wurde. Wie bekommt man das technologisch geregelt, ohne die ganze Mühle auf den Haken zu nehmen und andernorts zu platzieren, wie tatsächlich vorgeschlagen wurde. Tobias Pohl zog den „Mühlenpapst“ Alfred Kirsten aus Erfurt zu Rate. Der Experte votierte energisch gegen das Versetzen. Man tüftelte weiter. Dann stand die Technologie fest: Die Mühle wird angehoben, um den Unterbau zu entlasten und dann Schwellenkreuz und Streben zu erneuern.

Noch höchsten fünf Jahre und sie wäre umgefallen

Gesagt, getan. An jeder Mühlenecke wurde ein 30-Tonnen-Hydraulikpumpe platziert und damit die quer durch den Oberbau gezogenen massiven Holzbalken 20 Zentimeter angehoben. Die Mühle wurde dadurch vom maroden Unterbau getrennt, der entfernt wurde. Man zog ihr, bildlich gesehen, den Stuhl unterm Hintern weg. Die Mühle hing, gehalten an ihren vier Ecken, quasi in der Luft.

Tobias Pohl hatte beschlossen, die Holzteile dieses Mal aus massiver Eiche, die nur ganz langsam verwittert, zu fertigen. Er bezog dafür rund 150 Jahre altes Holz, das 15 Jahre an der Luft trocknen konnte, aus Mühlhausen und fertigte daraus passgenau die neuen Balken in den Originalmaßen. Gewaltige Balken. 30 Mal 60 Zentimeter im Profil, sechs Meter lang. Schwer zu kriegen, schwer zu bearbeiten, schwer zu tragen. Als der Unterbau fertig war, konnte der Oberbau abgesenkt und wieder verbunden werden. „Auf Metallnägel haben wir beim Zusammenfügen prinzipiell verzichtet“, sagt Pohl. Das wäre nur wieder eine neue Korrosionsquelle gewesen. Stattdessen griff man auf alte Handwerkskunst zurück und verwendete nur Nägel und Verbinder aus Holz.

Mitte Mai wurde das ausgeklügelte Projekt begonnen, nun sind es noch etwa zwei Wochen bis zur Fertigstellung. Bis dahin werden zwei der vier Ruten (Flügel) erneuert. Und Pohl muss noch einen Sterz aus Eiche auftreiben. Einen neun Meter langen, vor allem krummen Baum, mit dem man, wie früher, die 291 Jahre alte Mühle mit Muskelkraft in den Wind drehen kann. „Das kriegen wir auch noch hin“, sagt Pohl. Für ihn und seine drei Gesellen Andreas Klinge, Dirk Steinbrücker, und Stefan Beer sei diese spektakuläre Mühlenrettung eine echte Herausforderung gewesen.

Für den Bauherren auch. Etwa 35.000 Euro wird ihn die Rettungsaktion kosten. Aber ohne sie wäre die Mühle irgendwann umgekippt. „Ich hätte ihr höchstens noch fünf Jahre gegeben“, sagt Zimmerermeister Pohl.