Erfurt. Angermuseum zeigt Ausstellung mit erstmals veröffentlichten Bildern Adolf Hölzels. Sein Werk war auch Bauhäuslern ein Vorbild

Auf eine gewisse Weise kann man ihn als Wegbereiter der modernen Malerei nicht übersehen, und doch hat sich der Name Adolf Hölzel bisher kaum im kollektiven Kunstgedächtnis festigen können. Der als bescheiden geltende und eher im Hintergrund seiner zahlreichen Schüler wirkende Hölzel vereint ein kaum in einem Durchgang erfassbares Konvolut an malerischen Werken, von dem ein beachtlicher Teil seit Samstag in der neuen Sonderausstellung im Angermuseum gezeigt wird.

Unter mehr als 100 Exponaten mit zwischen 1880 und 1930 entstandenen Bildern finden sich auch 28 bisher nicht präsentierte Werke, die unter dem Gesamttitel „Farbharmonie als Ziel – Adolf Hölzel auf dem Weg zum Ungegenständlichen“ aufbereitet sind.

Obwohl der Weg durch die von Thomas von Taschitzki kuratierte und vom Museum Georg Schäfer (Schweinfurt) konzipierte Ausstellung chronologisch durch die Wirkungsphasen des 1853 geborenen Künstlers führt, steht in dieser Schau das Spätwerk Hölzels deutlich im Vordergrund. Dabei spiegelt sich in seinem Schaffen nicht nur die Zeit des späten Kaiserreichs und schließlich der Weimarer Republiks, sondern auch den dort verorteten Kunstströmungen wider. So beginnt der Rundgang mit realistischen Porträts, die an die niederländischen Meister erinnern, und führt über einzelne Werke des Impressionismus, Pointilismus und des Jugendstils rasch zu immer abstrakteren und expressionistischeren Werken fort. „Schon in den Landschaftsbildern zeigt sich, wie Hölzel im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen sehr gedämpfte Farben verwendet und sich auch früh vom Figürlichen entfernt“, wie von Taschitzki erklärt. „Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit in Dachau wird er wegen seiner realistischen Malerei nach Stuttgart berufen, wo er sich dann entgegen der Erwartungen seiner Vorgesetzten jedoch stetig in abstrakteren Formen ausprobiert.“

Dies zeigt sich vor allem in den an Paul Gaugin erinnernden Bildern, in denen die Figuren im Gegensatz zur Farbigkeit schon nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen.

Hervorzuheben ist die Sammlung der ab 1920 entstandenen Bilder, die sich beispielhaft mit der avantgardistischen Sicht Hölzels auf Farbkomposition und Farbtheorie auseinandersetzt. So sind den verschieden formatigen, hauptsächlich in Pastell entstandenen Werken auch Auszüge aus den theoretischen Schriften des Künstlers beigegeben. „Johannes Itten, der neben Oskar Schlemmer, Willi Baumeister oder vorher auch Emil Nolde zu Hölzels Schülern zählte, hat dessen Farblehre im Grunde nahezu übernommen“, wie von Taschitzki sagt.

Mit Farbklängen, Farbtönen und seiner freien Linienführung erinnern die experimentellen Bilder an die Musikalität Wassily Kandinskys, der die unbeschreiblichen Töne und Melodien ebenso visuell umsetzte, wie es Hölzel mit Empfindungen tat, die in seinem Spätwerk die größte Rolle einnehmen.

So erkannte er als einer der ersten Künstler das Unbewusste als Potenzial für die bildende Kunst und entwickelte lange vor den Surrealisten ab 1898 eine eigene Form des automatischen, gegenstandslosen Zeichnens.

Die Lineamente, in denen sich als einzig wiederkehrendes Element häufiger Kreiszentren wiederfinden, entwickeln sich zu Kompositionen, deren zellenartiger Eindruck auch große Firmen des frühen 20. Jahrhunderts zu Aufträgen bewegten. Durch glückliche Zufälle werden so in einem Seitenkabinett der Sonderausstellung auch vier erhaltene Glasfenster gezeigt, die nach den Entwürfen Hölzels für die Bahlsen-Werke entworfen wurden. „Durch das Licht kommen die Farben viel deutlicher zum Tragen. Das bringt auch die Leuchtkraft, die Hölzel zuvor mit den Pastellfarben entwickelte, auf eine noch höhere Ebene“, analysiert der Kurator.

In einem zweiten Kabinett zeigt sich die weitere Vielfalt Hölzels künstlerischen Oevres. So hat der Künstler, der beim Perthes-Verlag in Gotha eine Schriftsetzerlehre beendet hatte, auch sogenannte Schriftsockelbilder hinterlassen, die den karikaturhaften Skizzen bestimmter Berufsgruppen auch noch selbst verfasste Aphorismen und Verse hinzufügen. Zwischen den in Auszügen an den das Milieu studierenden Heinrich Zille erinnernden Zeichnungen finden sich auch Exkurse in die japanische Zeichentechnik, die Hölzels Linienführung sichtbar beeinflusste.

„Sein Werk ist vor allem spannend, weil es ein Spätwerk ist“, so der Direktor der Erfurter Kunstmuseen, Kai-Uwe Schierz. „Bei den meisten Künstlern ist das Frühwerk das Interessante. Hölzel hingegen ist mit über 50 noch mal so richtig durchgestartet und war damit viel älter, als seine zum Teil auch dadurch bekannteren Schüler.“

Als wohl einflussreichster Lehrer seiner Zeit blieb Adolf Hölzel laut von Taschitzki bescheiden und gab sogar an ihn gerichtete Aufträge an seine Schüler ab, was dazu beitrug, dass der Name des Lehrers gegenüber dem seiner Schüler bald in den Hintergrund rückte.

In dieser von der Adolf-Hölzel-Stiftung initiierten und unter anderem von der Kulturstiftung des Landes geförderten Ausstellung wird die Tragweite des wohl wichtigsten und bisher unbekanntesten Wegbereiters der Moderne nun auch erstmals in Erfurt deutlich.

„Farbharmonie als Ziel. Adolf Hölzel und der Weg zum Ungegenständlichen“, Anger- museum Erfurt, bis 6.Oktober; Kuratoren-Führungen und Begleitprogramm unter: www.kunstmuseen-erfurt.de