Altstadt. Denkmalwoche: Tafelausstellung im Stadtarchiv zum Bürgerwall 1989 gegen den Abriss des Andreasviertels

Antje Bauer bedauert es noch heute, an jenem 10. Dezember 1989 nicht in Erfurt gewesen zu sein. Die damals in Leipzig lebende Leiterin des Erfurter Stadtarchivs (seit 1991) fuhr allerdings mehrfach mit dem Zug in die damalige Bezirksstadt, um den erfrischenden Atem der Donnerstags-Demonstrationen zu spüren. Für die studierte Historikerin und Archivwissenschaftlerin bedeuten Mauerfall und Rettung der Altstadt eine Einheit.

Fotos von jenem Tag, als eine sechs Kilometer lange Menschenkette rings um die Innenstadt einen Bürgerwall bildete, um sich für die Rettung der Altstadt, insbesondere des Andreasviertels, einzusetzen, markieren den Ausgangspunkt einer Tafelausstellung im Erfurter Stadtarchiv, die anlässlich der diesjährigen Denkmalwoche ab heute einschließlich Verlängerung bis zum 28. Februar 2020 unter dem Thema „Ein Bürgerwall für unsere Altstadt“ zu sehen ist.

Weitere Dokumente auf den Tafeln beziehen sich auf Ausstellungen in der Michaeliskirche, vom 8. Mai bis 6. Juli 1987 unter dem Thema „Verkehrsgerechte Stadt. Stadtgerechter Verkehr“, in der erstmals eine öffentliche Auseinandersetzung zum drohenden großflächigen Abriss in der Altstadt und im Andreasviertel geführt wurde, sowie vom 10. Juni bis 31. Juli 1988 unter der Überschrift „Stadt am Kreuzweg“; Kopien von Eingaben bis an höchste Stellen, Bilder vom maroden Zustand und den ersten Notsicherungsmaßnahmen (teilweise unterstützt durch das Land Hessen) im Andreasviertel ergänzen die Rückschau.

Drei Tage für eine Exposition zum diesjährigen Denkmal-Thema „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“ erachteten die Mitarbeiter des Stadtarchivs allerdings zu kurz, um an die spektakulären Ereignisse zu erinnern. Zumal der 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November noch bevorsteht und das ebenso lange zurück liegende Datum des menschlichen Schutzwalls für die Altstadt mit einer gesonderten Veranstaltung am 10. Dezember gewürdigt werden soll, weiß Bauer.

Die Leiterin des Stadtarchivs holt allerdings weiter aus, wenn es um die Erfurter Altstadt geht, nämlich bis 1945/46. Abhandlungen dazu beschreibt Antje Bauer in ihrem 2017 anlässlich der 1275. Ersterwähnung Erfurts erschienen Buch „Erfurt. Bilder und Geschichte(n)“.

Sie beruft sich auf den damaligen Fraktionsvorsitzenden der LDPD (Liberaldemokratische Partei Deutschlands) aus der ersten Sitzung des 1946 gewählten Stadtrats, wonach Erfurt „bei allem Unglück der vergangenen Jahre“ großes Glück widerfahren sei, denn die Kommune sei eine der ganz wenigen Großstädte, die nicht (gänzlich) in Trümmern liege, sondern in der Erhaltung ihres Stadtbildes und ihres mittelalterlichen Stadtkerns ein Kleinod besitze.

40 Jahre später, 1986, so entnahm Antje Bauer den Archivalien, gründete sich im Schutz der evangelischen Kirche eine Arbeitsgruppe Stadt- und Wohnumwelt, die ebenso die Erhaltung der Altstadt einforderte. Das bedeutete eine klare Kampfansage an die 1968 eingeleiteten Pläne, Erfurt in eine „moderne sozialistische Großstadt“ zu verwandeln.

Die Leiterin des Stadtarchivs wäre erfreut, wenn sich Bürger fänden, die Fotos und andere Dokumente zur Erfurter Wende bereitstellen könnten.

Ausstellung im Stadtarchiv, Gotthardtstraße 21, während der Denkmalwoche heute und morgen 8 bis 16 Uhr, am Freitag, 6. September, von 8 bis 14 Uhr sowie später während der Öffnungszeiten des Hauses