Gotha. Der Kammerchor Michaelstein interpretierte in der Gothaer Bonifatius-Kirche Gesänge aus Deutschland und der Welt.

Er gehört zu den international anerkannten Spitzenchören, und am Freitagabend durfte man ihn in Gotha hören. Unter der Leitung von Sebastian Göring interpretierten 16 Sängerinnen und Sänger des Kammerchors Michaelstein in der katholischen Kirche St. Bonifatius geistliche und weltliche Werke vom ausgehenden Barock bis zur Gegenwart mit deutlichem Schwerpunkt auf dem musikalischen Idiom anderer Völker.

Zwei Werke aus dem deutschen Chorschaffen standen am Anfang: der Chor „Lobt den Herrn“ aus einem Oratorium Johann Heinrich Rolles (1716 - 1785) und die 1878 entstandene Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ von Brahms. Für garantiert wache Zuhörer sorgte die in heftigstem Fortissimo hinausgeschleuderte und als ersterbendes Echo wiederholte Frage „Warum?“, um wenig später ruhig fließender Polyphonie Raum zu geben.

Bestechend an der Leistung des faktisch professionell agierenden Chors sind die klaren, auf Präzision getrimmten, weitgehend auf Vibrato verzichtenden Stimmen, die in dem durchsichtigen, kompromisslos homogenen Chorklang aufgehen und deutliche klangliche Konturen zeichnen.

Dazu eine penibel durchgestaltete Dynamik in einem erstaunlich weiten Rahmen zwischen Laut und Leise, ein beachtlicher Registerumfang und eine edle Klangschönheit, die selbst in Extrembereichen keine Abstriche erkennen lässt – all das macht die außerordentliche Attraktivität dieses Kammerchors aus.

Glanzvolle Musik im Stil russisch-orthodoxer Gesänge bot Alfred Schnittkes Gebet um Erbarmen. Das „Vaterunser“ des noch jungen Südafrikaners Zander Fick (geboren 1991) arbeitet mit Dissonanzen, die nicht aufschrecken, stattdessen, im Pianissimo, die Herzen berühren; ein ruhig fließender Klangstrom in großen, spannungsreichen Crescendo- und Decrescendo-Bögen – chorisches Atmen in Perfektion! Rhythmisch erregend das „Cum sanctu spiritu“ aus einer Messe der Koreanerin Hyo-Won Woo. Zwischen Expressivität und ruhigem Piano erklang ein „Vaterunser“ von Rodrion Schtschedrin. Und mit der Kraft emphatischer Volksgesänge zeigte sich eine Komposition Tschaikowskis: „Gesegnet seien die Auserwählten“.

Dann durchschritten Künstler und Publikum die Pforte zur Folklore – freilich in anspruchsvoller künstlerischer Stilisierung. Zuerst ein strophisches Liebeslied aus dem maurischen Spanien des 15. Jahrhunderts. Danach ein traditionelles chinesisches Volkslied, in dem herbe Harmonien der immanenten Pentatonik einen zusätzlich exotischen Anstrich verpassen.

Tiefste Melancholie, durchsetzt von Momenten verzweifelten Aufbegehrens, charakterisieren Georgi Swiridows Vertonung eines Gedichts von Sergei Alexandrowitsch Jessenin, der 1925 angesichts der politischen Zustände als 30-Jähriger seinem Leben ein Ende setzte.

Schließlich ein Schwung um 180 Grad: Ein Lied des beliebten indischen Bollywood-Komponisten Allah Rakha Rahman – natürlich wie alle ausländischen Gesänge in der Landessprache vorgetragen, in diesem Fall auf Tamilisch. Hart an der Grenze des gesangstechnisch Machbaren, wurde der Gesang von drei trommelnden Chormitgliedern temperamentvoll begleitet.

Als krönender Abschluss erklang das stark an den Gospelstil angelehnte, aber zugleich über ihn hinausweisende „My God is a Rock“ (Mein Gott ist ein Fels) des 1962 geborenen, in Detroit lebenden Stacey Gibbs.

Das Publikum applaudierte begeistert – und bekam selbstverständlich eine Zugabe geschenkt: ein witzig geschneidertes und entsprechend locker vorgetragenes Pop-Medley aus der Feder Sebastian Görings.