Gotha. Viele städtische Bauwerke tragen die Handschrift von Baurat Alfred Cramer (1872-1938). So zum Beispiel das Dorotheenbad.

Am diesjährigen Tag des offenen Denkmals beteiligte sich erstmals auch die Cramer-Villa in der Reinhardsbrunner Straße 10 (wir berichteten am 10. September). Eigentümer ist der in Stuttgart lebende Diplomingenieur Jörg Richter, der die Gelegenheit nutzte, um nicht nur die 1904 von dem Gothaer Architekten Alfred Cramer umgebaute Villa, sondern auch dessen umfangreiches Werk vorzustellen. Schließlich entstand das meiste davon auf dem Reißbrett in dem Atelier, das sich im Anbau in der Leesenstraße befand.

Alfred Cramer wurde am 6. August 1872 als jüngster Sohn des Zimmermeisters Carl Cramer und der Bäckertochter Bertha, geborene Zeyß, in der Mohrenstraße 31 geboren. Aufgewachsen ist er jedoch in der Uelleber Straße 18 (spätere 36), wo sich sein Vater um das Jahr 1877 direkt neben der Eisenbahnlinie eine eigene Villa mit dazugehöriger Werkstatt erbaut hatte.

Eröffnung eines eigenen Ateliers im Elternhaus

Wie bereits seine älteren Brüder Fritz und Louis, der Zimmermann geworden war, entschied auch er sich für das Baufach und lernte deshalb ab 1888 an der Herzoglichen Baugewerbeschule im Augustinerkloster, die er 1892 mit dem Prädikat „fast recht gut“ absolvierte. Anschließend studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Danach war Cramer zunächst in Architekturbüros – unter anderem in Hannover und Magdeburg – in Stellung.

Im Jahre 1900 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und eröffnete in seinem Elternhaus ein Atelier für Architektur und Bauausführung. Zu seinen ersten größeren Aufträgen gehörte der Neubau in der Dorotheenstraße 23-27 – dem „Dorotheenbad“.

Im Jahre 1902 heiratete Cramer und bekam im Folgejahr seinen Sohn Hans. Ein Jahrzehnt später folgte Curt, der ebenfalls Architekt wurde. Alfred Cramer übernahm 1903 zunächst das Baugeschäft seines Vaters. Dessen Nachfolge trat jedoch der älteste Sohn Fritz an, der ebenfalls Zimmer- und Baugewerksmeister geworden war.

Die junge Familie Cramer sah sich daraufhin nach eigenen vier Wänden um. Die Wahl fiel auf ein bereits vierzig Jahre altes Haus in der Reinhardsbrunner Straße 10. Cramer ließ umgehend einen Umbau vornehmen, der sich jedoch auf einen dreigeschossigen Anbau, einen neuen Eingang, einen Erker sowie die Umgestaltung der Fassade beschränkte. 1909 kam noch ein eingeschossiger Anbau in der Leesenstraße hinzu, in dem er sein Atelier einrichtete. Schon bald gehörte er zu den angesehensten Gothaer Architekten.

Zu seinen Auftraggebern gehörte beispielsweise der Frauenarzt Paul Schmidt, der sich 1905 eine Frauenklinik in der damaligen Kaiserstraße 15 erbauen ließ. Das Gebäude in der heutigen 18.-März-Straße diente bis 2008 als Pflegeheim „Albert Schweitzer“. Cramer war jedoch auch im Gothaer Land tätig, wie die von ihm entworfenen Kirchenneubauten in Fröttstädt und Kälberfeld beweisen.

Die Stadt Gotha verdankt ihm eine Reihe von öffentlichen Bauten, die zumeist den Herzogshof als Auftraggeber hatten. So entstand 1907 nach Cramers Plänen das Rentamtsgebäude (jetzt Schulverwaltungsamt) zwischen dem Schloss Friedrichsthal und dem Amtsgericht. Dafür bekam er 1908 das Ritterkreuz des Ernestinischen Hausordens verliehen.

Weitere herzogliche Bauten waren die 1912 eröffnete Victoria-Adelheid-Pflege in der Schlichtenstraße 12 und der Neubau der Herzoglichen Baugewerbeschule am heutigen Trützschlerplatz, der 1911 eingeweiht wurde. Damit hatte ein ehemaliger Absolvent dieser Einrichtung diesen stadtbildprägenden Bau geschaffen. Cramer wurde am Einweihungstag mit dem Titel eines herzoglichen Baurats ausgezeichnet.

Aber auch das wohlhabende Gothaer Bürgertum entdeckte den wegen seiner Korrektheit und vor allem seiner zügigen Bauweise bekannten Architekten für sich. Zu Cramers Auftraggebern gehörten der Ziegeleibesitzer Robert Friedrichs, für den er 1907 eine Villa in der Schützenallee 12 entwarf, der Kaufmann Otto Böhm, für den er ebenfalls 1907 das markante Lebensmittelhaus mit der Hanse-Kogge in der Marktstraße 11 erbaute, und der Kaufmann Richard Hüsmert, dessen von Cramer entworfene Villa noch heute in der Ernststraße 1 steht. Auch das 1913 erbaute Wohn- und Geschäftshaus von Karl Gerlach am Neumarkt 1-3 trägt Cramers Handschrift.

Bedingt durch die Nachkriegszeit und vor allem die Inflation waren die Aufträge weniger geworden. Cramer war deshalb seit 1925 zusätzlich als Kirchenbauinspektor in Gotha tätig. Am 24. Juni 1938 starb er im Alter von 65 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit.