Gotha. Wilhelm Lang (1819-1895) gehört zu den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Gothaer Persönlichkeiten.

Wilhelm Lang, dessen Geburtstag sich am kommenden Freitag zum 200. Male jähren wird, gehört zu den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Gothaer Persönlichkeiten.

Dabei handelt es sich um einen großen Wohltäter, der im „Gothaischen Tageblatt“ mit einem ausführlichen Nachruf gewürdigt wurde. Darin wurde auch seine Herkunft wie folgt beschrieben: „Geboren am 22. November 1819 in Wetzlar war seine Kindheit eine an Freuden arme, denn schon im zweiten Lebensjahre verlor er den Vater, der Fuhrwerk betrieb, und im zwölften die Mutter. Als Waise wurde er von der dortigen Waisenversorgungsanstalt einem Schlotfeger in Pflege gegeben. Da er zu dessen Beruf keine Lust hatte, wurde er in die Lehre zu einem Buchbindermeister gegeben.“

So sah der Firmensitz in der Siebleber Straße 39 vor der teilweisen Zerstörung am 30. November 1944 durch einen Bombenvolltreffer aus. Die Zeichnung stammt aus der Geschäftschronik von 1951.
So sah der Firmensitz in der Siebleber Straße 39 vor der teilweisen Zerstörung am 30. November 1944 durch einen Bombenvolltreffer aus. Die Zeichnung stammt aus der Geschäftschronik von 1951. © Firma J.W. Lang

Danach kam er 1838 nach Gotha, um Gehilfe in dem 1813 von Georg Ludolph Hennicke (1776-1842) gegründeten Buchbindergeschäft in der späteren Jüdenstraße 6 zu werden. Nach dessen Tod führte Lang das Geschäft für die Witwe Charlotte weiter, um es schließlich 1851 unter dem Namen „J. W. Lang“ selbst zu übernehmen. Dieser in der späteren Siebleber Straße 39 ansässigen Firma sollte als größte „Geschäftsbücherfabrik, Buchbinderei und Buchdruckerei“ Gothas eine mehr als 100-jährige Lebensdauer beschieden sein, wie die Geschäftschronik aus dem Jahre 1951 beweist.

Sohn stirbtnach tragischem Unglücksfall

Am 9. November 1851 heiratete Wilhelm Lang mit Ida Hennicke (1824-1900) eine Tochter seines verstorbenen Meisters. Der am 11. Februar 1853 geborene Sohn Gustav sollte das einzige Kind bleiben und war somit von vornherein als Nachfolger vorgesehen. Im Jahre 1886 war es soweit, dass der mittlerweile 66-jährige Vater die Firmenleitung in die Hände von Gustav Lang legte.„Leider war dem Sohne nur eine kurze Zeitspanne vergönnt, den Betrieb im Sinne seines Vaters noch weiter auszubauen, da er durch einen tragischen Unfalle im Jahre 1887 frühzeitig aus dem Leben schied“, heißt es in der Firmenchronik. Der Unglücksfall ereignete sich jedoch bereits am 19. September 1886. Am darauffolgenden Tag stand darüber im „Gothaischen Tageblatt“: „Hr. Buchbinderei¬besitzer Lang hier wurde gestern aus seinem Wagen, dessen Pferd durchgegangen war, herausgeschleudert und erlitt dabei einen Schädelbruch, dem er in der Nacht erlag.“ Gustavs Witwe Auguste fand in dem Kaufmann Moritz Ziegler, den sie 1889 heiratete, einen würdigen Nachfolger, der die Firma bis zu seinem Tod im Jahre 1946 erfolgreich leitete. Am 30. November 1944 erhielt das Vordergebäude einen Bombenvolltreffer. Die damals entstandene Baulücke ist erst unlängst wieder geschlossen worden.

Das von Wilhelm Lang gestiftete Gebäude in der Gotthardstraße 9 beherbergte seit 1897 eine Haushaltungs- und Kochschule sowie seit 1898 die Stadtbibliothek. Zu DDR-Zeiten diente es als Zentralküche, wie an der Fassade zu lesen ist.
Das von Wilhelm Lang gestiftete Gebäude in der Gotthardstraße 9 beherbergte seit 1897 eine Haushaltungs- und Kochschule sowie seit 1898 die Stadtbibliothek. Zu DDR-Zeiten diente es als Zentralküche, wie an der Fassade zu lesen ist. © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

Sein Leben lang war er überallein gemeinnütziger Helfer

Der Lebensabend von Wilhelm Lang wurde nicht nur durch den Tod des einziges Kindes, sondern auch eine zunehmende Erblindung getrübt. Sein Leben lang war er überall ein gemeinnütziger Helfer gewesen. Viele Jahre bekleidete er die Stelle des Bibliothekars des Gewerbevereins, gehörte 1857 zu den Gründern der Gewerbebank, war lange Zeit deren Aufsichtsratsvorsitzender, von 1861 bis 1876 Stadtverordneter und bis zu seinem Tode Mitglied der Freisinnigen Volkspartei. Seit 1876 bewohnte er die nach Plänen des Architekten Ludwig Bohnstedt (1822-1885) errichtete Villa in der Mariengasse 3, die nahezu unverändert erhalten ist.

Die genannten Schicksalsschläge veranlassten ihn zu einer Stiftung. Die Schenkungsurkunde vom 6. Februar 1893 lautete: „Um meine Anhänglichkeit an die Stadt Gotha, die mir zu einer lieben zweiten Heimat geworden ist, durch die Tat zu beweisen, übermache ich derselben durch Schenkung Einundvierzig Tausend Mark. Davon sollen Sechstausend Mark als eisernes Stiftungskapital abgezweigt werden, dessen Zinsen an bedürftige und befähigte Realschüler gegeben werden sollen, Fünfunddreißig Tausend Mark sollen zur Errichtung einer Haushaltungs- und Kochschule für unbemittelte Mädchen dienen.“

Nur noch die Ruine des Druckereigebäudes erinnerte bis 2009 an die Firma „J.W. Lang“. Die traurigen Reste des Vorderhauses waren bereits 2003 abgerissen worden.
Nur noch die Ruine des Druckereigebäudes erinnerte bis 2009 an die Firma „J.W. Lang“. Die traurigen Reste des Vorderhauses waren bereits 2003 abgerissen worden. © Matthias Wenzel

Der Wohltäter starb am 25. Oktober 1895 kurz vor Vollendung seines 76. Lebensjahres. In dem bereits erwähnten Nachruf hieß es: „Aus unserer Mitte hat der Tod einen Mann geführt, der uns ein Charakterbild von Bürgertugend hinterlassen hat, das für jüngere Generationen unvergessen bleiben möge“. Das „J. W. Lang’sche Stiftungshaus“ wurde ab 1896 in der Gotthardstraße 9 als „ein dauerndes schlichtes Denkmal für den schlichten Mann“ errichtet.

Die Eröffnungsfeier fand am 12. Mai 1897 in der Aula der benachbarten Realschule statt. Das Backsteingebäude nahm wie geplant die Haushaltungs- und Kochschule sowie den Knabenhort auf. Am 28. Februar 1898 folgte dann im Obergeschoss die neu gegründete Stadtbibliothek mit einer öffentlichen Lesehalle, die erst 1950 in die Orangerie umzog. Aus der Volksküche der Volkssolidarität wurde später eine Zentralküche für die Schulspeisung, die zuletzt als Zweigstelle der „Frisch-Menü Erfurt GmbH“ genutzt wird.