Gotha. Von Bräuchen zum Jahreswechsel. Die Altgothaer stehen auf Turmblasen und Glockengeläut.

Die „zwölf Nächte“, von Heiligabend bis zum 6. Januar, haben bei manchen Leuten bis heute ihr geheimnisvolles Walten nicht verloren: Was man in den zwölf Nächten träumt, das geht in Erfüllung, heißt es. „Denn Träume sind keine Schäume“, so war aus den einst so beliebten Traumbüchern zu erfahren, die oft zurate gezogen wurden.

Zwischen Weihnachten und Neujahr dürfe auch beileibe nicht gewaschen, geschweige denn Wäsche auf gehangen werden, „sonst stirbt eins“, so der Volksglaube. Dieser Glaube geht zurück auf die Göttin Fricka und ihrer Nachfolgerin „Frau Holle“.

Die Altgothaer aßen Silvester zu Mittag Linsen oder Fisch, abends meist Heringssalat und am Neujahrstag wieder Karpfen. Denn die Schuppen der Fische sowie Hülsenfrüchte bedeuteten Geld, das ja nie ausgehen sollte. Am Silvesterabend wurden besondere Getränke bereitet, meist Glühwein, Punsch und Bowle mit Apfelsinen und Ananas, oder Grog. Etwas spezielles war ein Getränk, das sich „Kardinal“ nannte, eine Weinmischung aus bitteren Orangen (Pomeranzen).

Zum Nachmittags- und Nachtkaffee schnitt man das letzte Scheitchen (Stollen) an. Später, kurz vor Mitternacht, wurde dann der Weihnachtsbaum noch einmal angezündet und mit seinem Leuchten erst ein Glas auf allseitiges Wohlergehen im neuen Jahr getrunken.

Wenn heutzutage das neue Jahr mit einem großen Feuerwerk-Spektakel und Böllerei Einzug hält, ging es doch früher viel beschaulicher zu. Vom Turmblasen von Sankt Margarethen und dem Glockengeläut zur Jahreswende hielten die Altgothaer viel. Nach Mitternacht fand bei vielen Familien das Bleigießen statt: Die entstehenden wunderlichen Figuren sollten beispielsweise von der berufliche Karriere des Orakelnden oder vom Zukünftigen der Gießerin künden.

Früher zogen die Kinder am Neujahrstag auch von Haus zu Haus und sangen Lieder, um etwas Süßes zu bekommen. So auch in Schnepfenthal mit folgendem Vers: „Ich bin der kleine König. Gebt mir nicht zu wenig. Laßt mich nicht zu lange stehn, denn ich muss noch weiter gehn.“

Nach den Weihnachtsfeiertagen mit gehaltvollem Essen ist für viele Leute der Silvesterkarpfen eine gesunde und willkommene leichte Mahlzeit. Mit weniger als zehn Prozent Fett ist dieser Fisch jedenfalls magerer als jeder Weihnachtsbraten. Beim Entschuppen des Karpfens sollte man sich eine Schuppe beiseite legen, um sie später in der Geldbörse zu verstauen, damit für das kommende Jahr, wie schon gesagt, das Geld nicht ausgehe, so der Aberglaube.

Bereits im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung fanden in China die Karpfen als Speisefische Verwendung. Die Römer führten diese Fische dann in Germanien ein. Und seit dem Mittelalter sind sie bei uns heimisch. Mönche legten Teiche um ihre Klöster an, um Karpfen für die Fastenzeit zu züchten. So auch in Reinhardsbrunn. Vor über 900 Jahren entstanden deshalb die alten Klosterteiche im Tal des Badewassers.