Gotha. Wort zum Tage: Anette Uhle über Geburtstage, Feiern und Abstand halten

Heute hat mein Vater Geburtstag. Dieses Jahr werden wir nicht zu ihm fahren. Wir Geschwister aus vier verschiedenen Bundesländern werden uns nicht treffen und beim Kuchenbacken und Bewirten helfen. Wir werden nicht fröhlich Karten spielen und endlich wieder miteinander reden und lachen, während die Kinder sich im Tierpark über die Affen amüsieren. Zu groß ist das Risiko. Das Herz wird schwer bei diesem Abwägen: Sicherheit vor Nähe.

Wie feiert man in diesen Zeiten des Kontaktfastens Geburtstag? Klar, ich werde anrufen. Wir werden das Ständchen am Telefon singen: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ (EG 317). Das wird ihn freuen. Auch ein Päckchen ist unterwegs. Es wird sein betagtes Pastorenherz auch freuen, wenn er die Herrnhuter Losung heute liest. Diesen altvertrauten Beginn des Tages werden wir alle getrennt und doch verbunden tun. Er wird sie vor dem Frühstück meiner Mutter vorlesen: „Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jetzt verkünde ich deine Wunder“ (Ps.71,17). Ob er daran denkt, wie er von Gottes Wundern predigte? Welche Wunder sind ihm in seinem Leben begegnet? Wann hat er vergeblich auf Wunder gewartet? Es wird wie ein Wunder sein, wenn wir uns endlich wieder in die Arme nehmen. Das wird noch dauern. Wir müssen abwarten.

Mit den Worten des 71. Psalms werden wir uns gemeinsam an die wunderbare Kraftquelle im Aushalten erinnern. An Gott, der schon lange vor der Geburt ein liebevolles »Ja« zu mir gesagt hat. Im 71. Psalm heißt es: „Du bist meine Hoffnung, Herr, dir vertraue ich von Kindheit an! Ja, seit meiner Geburt bist Du mein Halt.“ Erinnerungen werden wach: an Momente voller Vertrautheit und Liebe, die meiner heimatlosen Seele ein Zuhause gaben. An den Duft des Frühlings in der heimatlichen Flur, die gemeinsamen Gartenstunden und Lagerfeuer am Abend, das Singen und Diskutieren. Das bleibt unvergessen. Es gibt die Zeiten, wo die Quellwasser des Glaubens ganz nah sind.

So stehen wir jetzt gemeinsam in der Krise. Erinnern uns auch daran, dass Krisenphasen manchmal notwendig sind. Es trägt die Erinnerung durch den Hilferuf, der im Psalm 71 laut wird: „Mein Gott, komm mir schnell zu Hilfe!“ Gott hielt Probleme und Leid nicht auf, aber er hielt in jeder Lage fest zu mir. Treue ist seine Wegbegleiterin. Das lässt aufatmen und entdecken, was die Not wendet. Wie verändert werden wir im nächsten Jahr gemeinsam singen, wie einst Pfarrer Martin Rinckart nach dem furchtbaren 30-jährigen Krieg: „Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden.“

Anette Uhle ist Pastorin der Emmausgemeinde um Goldbach