Gotha. Stadtschreiberin Birgit Ebbert macht interessante Entdeckungen und trifft auf bekannte Persönlichkeiten der Gothaer Geschichte

Wenn ich mich richtig erinnere, waren es zwei Gothaer aus Bronze, die ich zuerst in der Stadt getroffen habe. Damals, im Januar, als ich zur Pressekonferenz im Rathaus am Hauptmarkt anreiste und mein Navi mich über die Lindenauallee führen wollte. Da stand ich auf einmal zwischen Ernst, dem Frommen, und Luise Dorothea, konnte das Rathaus schon sehen und nicht herankommen.

Seitdem spaziere ich fast täglich an den beiden vorbei und weiß nun, warum das Denkmal von Ernst I. so riesig ist. Als Erbauer von Schloss Friedenstein in einer kriegerischen Zeit steht ihm das zu. Ich könnte mir vorstellen, dass mancher Schüler das anders sieht, hat Ernst I. doch 1642 mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in seinem Herzogtum dazu beigetragen, dass sich diese immer weiter verbreitete. In der Hand hält er übrigens eine Bibel, zwar nicht von Martin Luther, der ja durchaus eine Beziehung zu Gotha hatte, sondern eine andere, allgemeinverständlichere Ausgabe des heute meistverkauften Buches der Welt.

Wenn Ernst der Fromme von seinem Sockel auf das Rathaus schaut, wird ihm die kleine Bronze von Herzogin Luise Dorothea im Weg sein. Sie heiratete 1729 seinen Urenkel Friedrich III., Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg. Sie war eine gebildete Frau, die sich für die kulturelle Entwicklung im Herzogtum eingesetzt hat, wovon auch Gotha profitierte. Unter anderem sorgte sie dafür, dass Voltaire einige Wochen in Gotha verbrachte und anschließend vom Schloss schwärmte.

Die beiden waren also ohne Zweifel wichtig für die Stadt Gotha, das habe ich inzwischen gelernt. Geht es allerdings nach der Anzahl der Denkmale, scheint jemand anders für die Stadt noch bedeutsamer zu sein. Sein Werk zumindest ist viel bekannter als das, was Ernst I. und Luise Dorothea geschaffen haben. Ich kenne es seit meiner Kindheit. Wann immer ein Versicherungsfall in unserer Familie eintrat, hieß es: „Ich rufe mal bei der Gothaer an.“

Genau, die Gothaer Versicherung verdankt ihren Namen dem Mann, für den an der Friedrichstraße gleich zwei Denkmale stehen: Ernst-Wilhelm Arnoldi. Ein Ur-Gothaer, der 1778 in einem Haus ganz in der Nähe meiner Stipendiatenwohnung geboren wurde.

Wohin ich in Gotha komme, er begegnet mir überall. Am Hauptmarkt steht das Wohnhaus, in dem er zuletzt gelebt hat. Der Arnolditreff war die erste Einrichtung, die mich zu einer Lesung eingeladen hat, es gibt eine Arnoldistraße, eine Arnoldischule und an der Bahnhofstraße steht noch das Haus, in dem er seine ersten Versicherungen gegründet hat.

Seit ich fast täglich an den Denkmalen vorbeigehe, ist mir klar geworden, welche Bedeutung diese Figuren haben und weshalb es wichtig ist, sie mitten im öffentlichen Raum zu platzieren und nicht versteckt am Rand der Stadt. Sie regen an, über die Personen und ihre Geschichte nachzudenken und bringen einen dazu, sich mit der Stadt zu beschäftigen. Wenn ich wieder in Hagen bin, werde ich dort genauer hinschauen, bis dahin natürlich in Gotha. Wen sollte ich denn noch entdecken?

Zur Person

Dieses Jahr ist Birgit Ebbert aus Hagen in Westfalen Gothaer Stadtschreiberin.

Von Juni bis November lebt und arbeitet sie in der Stadtschreiberwohnung.

Regelmäßig schreibt sie für unsere Leser eine Kolumne.