Gierstädt. Gierstädt hat seit 90 Jahren ein schönes Freibad, seit 30 Jahren eine besondere Bademeisterin und starke Vereine, die das trotz fehlender Sonne gefeiert haben

Fast alle Gierstädter Kinder haben ihr Seepferdchen längst in der Tasche, ehe sie zum ersten Male in die Schule gehen. Das haben sie der Weitsicht von Bürgermeister und Gemeinderat in der Weimarer Republik zu danken, die 1928, mitten in einer wirtschaftlich schweren Zeit, entschieden: Unser Dorf bekommt ein Schwimmbad. Ein Jahr später, 1929 also, wurde das Becken unterhalb der Kirche das erste Mal geflutet.

Heute wie damals übrigens mit Brunnenwasser. Dadurch hielten und halten sich die Kosten fürs Freibad in bezahlbaren Grenzen, sagt Bürgermeister Ulf Henninger (CDU). „Regelmäßige Untersuchungen zeigen: Gierstädter Badewasser hat Trinkwasserqualität. Und durch den kontinuierlichen Zufluss halten sich die Temperaturen auch bei Hitzewellen so bei 20, 21 Grad.“

Gut, in diesem Jahr sei durch die Trockenheit dieser Zufluss versiegt, doch 25 Grad Wassertemperatur seien doch auch noch in Ordnung, befindet Henninger.

Das Gelände als ein Geschenk

Geschenkt bekamen die Gierstädter dereinst das Badgelände von der Familie von Seebach. „Obwohl, ein Bad wurde nicht gleich gebaut, zunächst entstand ein Gänseteich.“ Aus dem wurde dann das Bad, mit der Prämisse, an anderer Stelle den Gänseteich neu entstehen zu lassen. „Das Vorhaben wurde nie umgesetzt“, sagt der Bürgermeister.

Am Samstag feierte das Dorf an der Fahner Höhe 90 Jahre Freibad. Bei für diesem Zweck denkbar ungünstigem Wetter, musste es auch noch den Wegfall zweier Höhepunkte hinnehmen. Wobei Ulf Henninger und seine Mitstreiter durchaus Verständnis für die Absagen der Band Annred und des Freiherrn Thilo von Seebach haben.

Die einen hatten bei dem Wetter Angst um ihre Musikinstrumente, letzterer musste seine Reise in die Heimat seiner Vorfahren wegen Krankheit absagen. Trotz verkürztem Programm gab es jede Menge Spaß und mutige Schwimmer, die im Becken ihre Kreise zogen.

Darunter ist auch Heidi Vollrath, die seit 30 Jahren Schwimmmeisterin im Gierstädter Freibad ist und somit ihr eigenes kleines Jubiläum feierte. Sie hat in ihrem Beruf bereits in Leinefelde und Erfurt gearbeitet, sich jedoch immer nach einem Bad im ländlichen Bereich gesehnt. Dann bot sich die Möglichkeit, entweder Gierstädt oder Vieselbach.

Als erstes besah sich die Frau das Freibad in Gierstädt – und blieb. „Die Vieselbacher Einrichtung habe ich mir gar nicht mehr angeschaut“, erinnert sie sich. Ihre Entscheidung hat sie nie bereut. „Ich bin im Dorf gut aufgenommen und fühle mich hier pudelwohl.“ In den Monaten, in dem das Bad geschlossen bleibt, arbeitet sie bei der Firma Fahner Obst.

In diesem Jahr hat sie Ostern die Saison eröffnet. Bademeisterin Vollrath hat ein paar Frauen und Männer um sich geschart, mit denen sie regelmäßig vor dem offiziellen Badebetrieb schwimmt, egal bei welchem Wetter. Gierstädter Kneippfreunde nennt man die Gruppe im Dorf.

Nicht jede Gemeinde kann sich so wie Gierstädt ein Freibad leisten. Hier herrscht Konsens darüber, dass sich daran nichts ändern soll. „Wir haben in den vergangenen Jahren in unser Bad investiert“, betont Ulf Henning, „auch aus Mitteln der Dorferneuerung. Im nächsten Jahr sollen die Treppen erneuert werden.“

Die jährlichen Kosten fürs Bad beziffert das Gemeindeoberhaupt mit rund 25.000 Euro. „Eine Summe, die wir aufbringen können“, versichert Henning. Wie das aber sei, wenn Gierstädt seine Selbstständigkeit verliert, könne man allerdings nicht sagen.

Vier Vereine haben das Jubiläumsfest gestaltet: der Traditionsverein, die Interessengemeinschaft Fahner Höhe, der SV Fahner Höhe und der Feuerwehrverein des Ortes. Auch wenn das Wetter nicht perfekt war: Spaß hatten alle.

Und die Gewissheit, dass bei der nächsten Hitzewelle ihr Bad wieder gar nicht alle Badewilligen aufnehmen kann. Über 400 drängten sich hier am letzten Juniwochenende. Normalerweise sagt die Bademeisterin bei 350 Besuchern stopp. „Doch da war es so verdammt heiß, da konnte ich nicht anders.“