Gotha. Gästeführer Uwe Adam hatte zu einer Spendenführung auf den jüdischen Friedhof in Gotha eingeladen. Es gab großes Interesse der Bevölkerung, die Führung hatte 25 Teilnehmer.

Der in Waltershausen lebende Uwe Adam ist seit knapp drei Jahren als Gästeführer in Gotha tätig. Der 54-Jährige arbeitet als Lehrer für Latein, Geschichte und Englisch an der Salzmannschule in Schnepfenthal. Er macht hauptsächlich Stadt- und Kasemattenführungen. Als Geschichtslehrer hat es ihm aber vor allem die jüdische Geschichte angetan.

Deshalb hatte er bereits im vergangenen Jahr zwei diesbezügliche thematische Führungen in Gotha angeboten. Nun lud er am Freitagnachmittag erstmals zu einer Spendenführung auf den jüdischen Friedhof ein. Treffpunkt war auf dem unteren Hauptmarkt. Dass diese Idee auf großes Interesse stieß, beweist die Tatsache, dass rund 25 Gothaer aller Altersgruppen daran teilnehmen wollten.

Uwe Adam begann seine knapp zweistündige Führung mit einigen jüdischen Witzen, um zu zeigen, dass man deren Geschichte nicht nur auf den Holocaust beschränken darf. Noch vor einem Jahrhundert gehörten sie auch in Gotha zum Alltag und waren geschätzte Nachbarn.

Allein auf dem unteren Hauptmarkt seien die Häuser 34-36 sowie 40-41 eng mit dem jüdischen Leben verbunden gewesen. So hätten die späteren Begründer des Ruppelwerkes 1870 in der „Goldenen Schelle“ mit einer Eisenwarenhandlung begonnen. In der benachbarten „Silbernen Schelle“ habe sich viele Jahre das „Hofbankhaus Gebr. Goldschmidt“ befunden. Jacob Goldschmidt (1848-1906) sei der Vorsteher der jüdischen Gemeinde gewesen.

Der Weg zum jüdischen Friedhof führte durch den Brühl zunächst zur Arnoldischule. Dort ging Uwe Adam auf das Schicksal von Alfreda Zeidler, geborene Rosenburg (1924-1990), ein, die hier als „Halbjüdin“ trotz aller Repressalien 1943 das Abitur ablegen konnte und später als Lehrerin arbeitete, jedoch niemals darüber gesprochen habe.

Letzte Station vor dem jüdischen Friedhof war der frühere Friedhof II gegenüber der Arnoldischule. Hier erzählte Adam die Geschichte der fünf christlichen Friedhöfe. Schließlich war der jüdische einst ein Anhängsel des Friedhofes IV gewesen. Es habe aber zuvor schon zwei jüdische Friedhöfe gegeben, an die jedoch nichts mehr im Stadtbild erinnere.

Nachdem alle männlichen Teilnehmer eine Kopfbedeckung aufgesetzt hatten, öffnete Uwe Adam das mit einem Davidstern versehene eiserne Tor zum jüdischen Friedhof. Das Areal wurde 1867 erworben und sei von 1870 bis 1942 für Beerdigungen genutzt worden. Rund 150 Grabstätten seien erhalten, die 1886 errichtete Trauer- oder Leichenhalle sei dagegen 1980 abgerissen worden.

Den Zweck der Spendenführung hatte Uwe Adam bereits zu Beginn seiner Führung genannt. Es ging um den Grabstein von Max Ledermann (1875-1942), den er im vergangenen Jahr in einem traurigen Zustand vorgefunden habe. Inzwischen befindet er sich bereits in der Steinmetzwerkstatt von Frank Ehmig und wird restauriert. Die Kosten dafür würden rund 250 Euro betragen.

Stolperstein erinnert am Grünen Weg

Drei Generationen der Familie Ledermann sind auf dem Gothaer Friedhof begraben. Meyer Ledermann (1807-1889) hatte 1832 in Schwarza die Lederhandlung „M.G. Ledermann“ gegründet, die sein Sohn Gustav (1841-1915) 1867 nach Gotha verlegte. Seit 1884 befand sich die spätere Lederfabrik in der ehemaligen Pulvermühle am heutigen Grünen Weg 16. Seit 2014 erinnert dort deshalb ein Stolperstein an Max Ledermann, der die Fabrik 1939 als Jude hatte abmelden müssen. Der anstehenden Deportation entging er am 12. Mai 1942 nur durch den Freitod.

Anhand des Grabsteins des Firmengründers erläuterte Uwe Adam die verschiedenen verwendeten Symboliken. Im Fall von Meyer Ledermann waren dies die segnenden Hände. Die frühen Grabsteine bestanden noch durchweg aus Seeberger Sandstein, später seien auch andere Materialien verwendet worden.

Der Rundgang über den Friedhof endete an der Stelle, wo normalerweise ein kleiner pultförmiger Grabstein, auf dem lediglich der Name steht, an Max Ledermann erinnert. Das Pendant liegt nur wenige Meter daneben. Es handelt sich um den Grabstein der 1869 geborenen Irma Guradze, die am 19. September 1942 ebenfalls in den Tod flüchtete, um der Deportation zu entgehen. Für sie gibt es seit 2008 einen Stolperstein vor der Reinhardsbrunner Straße 33.

Am Ausgang sammelte Uwe Adam die Spenden ein. Stolze 161 Euro sind zusammen gekommen. Damit sind die Restaurierungskosten bereits zu zwei Dritteln gedeckt. Es werde jedoch in diesem Jahr noch mindestens zwei weitere solche Führungen geben, kündigte der Gästeführer an.