Tambach-Dietharz/Eisenach. Petition gegen das Abhängen bleibt erfolglos. Wegen problematischer Inschrift aus der NS-Zeit soll die alte Glocke in Tambach-Dietharz durch eine neue ersetzt werden

Präzision war am Donnerstag im Eisenacher Lutherhaus gefragt. Uwe Nothnagel und Sebastian Leffler von der Firma Turmbau- und Glockenservice Willing aus Gräfenhain setzten unter dem wachsamen Auge von Lutherhaus-Direktor Joachim Birkenmeier mit einem Kettenzug eine 250 Kilo schwere Christusglocke für die neue Sonderausstellung zur Geschichte des Entjudungsinstitutes auf einen der Ausstellungstische.

Die Christusglocke stammt aus der Bergkirche in Tambach-Dietharz und wurde dort auf Beschluss des Gemeindekirchenrates abgehängt, weil darauf ein Spruch mit nationalsozialistischem Inhalt steht. Der Gemeindekirchenrat hat beschlossen, dass sie durch eine neue Glocke, mit unverfänglicher Aufschrift ersetzt werden soll.

Neun Nazi-Glocken hängen noch

„ Wir folgen damit einer dringenden Bitte unserer Landesbischöfin, des Landeskirchenamtes, des Propstes, des Kreiskirchenrates“ , sagte Pfarrer Lars Reinhardt im Vorfeld.

In diesem Jahr war entschieden worden, dass alle neun Nazi-Glocken in acht Kirchtürmen auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM) nicht mehr erklingen sollen. Laut EKM hängen noch weitere Nazi-Glocken in Thüringen in Maua, Leutersdorf, Oberdorla, Bielen und Rettgenstedt (zwei Glocken) sowie in Sachsen-Anhalt in Gossa und Neinstedt.

Das Herabholen der Glocke der Bergkirche von Tambach-Dietharz war in Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis gestoßen. Um das Abgängen zu verhindern, hatte Lutz-Peter Fischer etwa 500 Unterschriften gesammelt und diese mit einer Petition im Landeskirchenamt in Erfurt übergeben. Vergebens. „Ich habe kein Reaktion darauf bekommen, ärgert er sich.

Auf der 1936 gegossenen und aufgehängten Glocke steht: „In Treue zu Christus der Deutschen.“ 72 Jahre habe sich niemanden daran gestoßen, stellt Fischer fest. Das sei erst im Zuge der Glockenweihe 2017, als anlässlich des Lutherjahres die beiden anderen Glocken und durch neue ersetzt worden waren, ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

2018 war es zu einer öffentlichen Diskussion gekommen, nachdem bekannt geworden war, dass es in einigen Gemeinden noch Kirchenglocken aus der Zeit des Nationalsozialismus gibt, auf denen auch Hakenkreuze zu sehen sind. Die EKM plant nach eigenen Angaben eine wissenschaftliche Aufarbeitung in Kooperation mit dem Lutherhaus in Eisenach und der Universität Jena. In der neuen Ausstellung, die nächsten Donnerstag im Lutherhaus eröffnet wird, steht die Glocke der Bergkirche Tambach-Dietharz, um zu veranschaulichen, wie von Nazis biblische Texte und das Christus-Bild miss- und umgedeutet wurden.

Das Entjudungsinstitut war in Eisenach von 1939 bis 1945 angesiedelt, um aus der Bibel und aus dem gesamten kirchlichen Leben jüdische Einflüsse zu entfernen. In ihrer Hitler-Gläubigkeit deuteten die völkischen „Deutschen Christen“ den „Führer“ als „Messias“.

Die Glocke der Bergkirche soll dort durch eine neue ersetzt werden. Die Kosten wollen Kirchenkreis und Landeskirche übernehmen.