Gotha. Oliver Baer vom Verein Deutsche Sprache hat in Gotha einen Vortrag gehalten zu gendergerechter Sprache und Gleichberechtigung in der Diskussion.

Sprache wächst und entwickelt sich weiter. Künstliche Eingriffe aber stören ihr harmonisches Wachsen. Am Ende einer hitzigen Diskussion am Donnerstagabend im Cranach-Saal des Gothaer Hotels „Lindenhof“ fiel ein bemerkenswerter Satz, der so manche vorausgegangene Sentenz ad absurdum führte: „Jede Sprache hat ihre Tradition und muss sich von unten entwickeln.“ Sprachregelung dagegen zeichnet Diktaturen aus.

Eingeladen hatte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung zu einem Vortrags- und Diskussionsabend zum Thema „Gleichstellung durch geschlechtergerechte Sprache – Lösung oder Irrweg“? Stargast war Oliver Baer, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache. Mit dabei: Landtagsmitglied Marion Rosin (CDU) und als Moderator Daniel Braun, kommissarischer Leiter der Stiftung.

Von sich reden gemacht hatte der Verein erst kürzlich durch den Aufruf „Hört auf zu gendern!“, initiiert unter anderem von Wolf Schneider, dem legendären Mentor ganzer Journalistengenerationen, und bereits nach einer Woche von 60.000 Menschen unterschrieben.

Die Debatte beruhe auf einem Missverständnis, sagte Baer; das grammatische Geschlecht eines Substantivs (männlich, weiblich, sächlich) habe nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun: „Männliche Wörter gibt es in keiner Sprache. Männlich ist eine Eigenschaft von Lebewesen, nicht von Wörtern.“ Und: „Eine bessere Gesellschaft zu schaffen – das ist nicht das Opfer der deutschen Sprache wert.“ Im Übrigen überzeuge Gender-Eifer sowieso nur die eh schon Überzeugten.

Was geschieht, wenn außer den biologischen Geschlechtern „weiblich“/„männlich“ auch noch die als „divers“ bezeichnete Grauzone die Sprache okkupiert? „Dann wird unsere Sprache nicht mehr als Sprache nutzbar sein,“ glaubt Oliver Baer. In der Diskussion fiel das leidenschaftliche Bekenntnis einer Weimarer Professorin auf, die für die konsequente Übertragung des biologischen Geschlechts auf die Sprache plädierte. Denn Sprache schaffe Bilder in den Köpfen der Menschen, glaubt sie. Wer etwa Kinder dazu ermuntere, später einmal Ingenieur zu werden, brauche sich nicht zu wundern, wenn Mädchen dann keine ­Ingenieurin werden wollten.

Dem widersprach Baer: „Sprache schafft keine Bilder. Wir Menschen schaffen die Bilder.“ Im Übrigen, so hörte man in der Diskussion, seien es ganz andere und konkrete Einflussfaktoren, die die Berufswahl von Frauen bestimmten: nicht die Sprache, sondern das konkrete gesellschaftliche Sein.

Als Fazit nahm die Mehrheit die Erkenntnis mit nach Hause, dass eine Regulierung der Sprache „von oben“ ihrem eigentlichen Wesen zuwiderläuft. Sprache muss wachsen wie Gras. Dessen Halme wachsen nicht schneller oder besser, wenn man an ihnen zieht. Ganz abgesehen davon, dass Manipulationen geschriebener Sprache etwa mittels Sternchen, Unterstrich und Schrägstrich de facto kommunikationsfeindlich sind. Denn: „Sprache muss man sprechen können. Sonst hieße sie Schreibe oder Lese.“