Jena. Thomas Stridde über ein Projekt in Jena, bei dem alles mit allem zusammenhängt.

In Jena greift die Spiellust um sich, genauer: die Lust am Dominospiel.

Im Kern ist der gestartete Bau einer neuen Bibliothek samt neuer Heimstatt für den Bürgerservice am Engelplatz tatsächlich eine Art Anfangsstein. Ohne ihn wäre ein ersehnter Dominoeffekt nicht zu haben gewesen.

Die Ernst-Abbe-Bücherei sollte in ihrem 120 Jahre angestammten, aber heute extrem beengten Quartier im Volkshaus weichen und wegen des Volkshaus-Umbaus hin zu einem Kongresszentrum in ein Zwischen-Domizil ziehen: die ehemalige Uni-Augenklinik, ehe vier Jahre später der Umzug in den Neubau am Engelplatz folgt. Wiederum würde der Neubau der Kulturarena Zukunftssicherheit geben, weil er nach Osten hin einen soliden Schallschutz darstellt.

Vor dieser netten Partie Domino stand aber eine Zitterpartie: Spielt der Freistaat noch mit, nachdem die Kosten für den geplanten Neubau am Engelplatz von ursprünglich prognostizierten 24 auf vorerst 35 Millionen Euro gestiegen waren?

Schließlich hatte der Jenaer Stadtrat seine Finanzierungszusage davon abhängig gemacht, dass zwei Drittel der Kosten durch Europa-Bund-Land-Fördermittel gedeckt werden. – Der Freistaat spielte mit. Und so war im Oktober das befreite Durchatmen bei Kommunalpolitik und Verwaltung deutlich zu vernehmen. Sofort trudelte beim kommunalen Immobilieneigenbetrieb KIJ die Baugenehmigung ein. Und Mitte Oktober wurde mit der Baustelleneinrichtung begonnen.

Arbeiten für den Rohbau sollen im Mai 2020 beginnen

Nächster Schritt ist das Ausheben der Baugrube. Sie wird mit einer Bohrpfahlwand umschlossen sein; so soll die Struktur der umliegenden Grundstücke Sicherheit finden. Diese Methode ist in Jena gängige Praxis, wo es mit dem Bauraum meist eng zugeht. Im Mai 2020 beginnt nach derzeitigem Plan der Rohbau, indessen das gesamte Jahr 2022 für den Ausbau veranschlagt ist, so dass Mitte 2023 das Band zur Nutzungsfreigabe durchschnitten werden kann.

Diese Terminkette ist nach Einschätzung von KIJ-Chef Karl Hermann Kliewe „sportiv“. Aber nicht zu vergessen: Bei der Ernst-Abbe-Bücherei (EAB) und dem Bürgerservice dreht es sich um die beiden meistfrequentierten Einrichtungen der Stadt.

Jenakultur-Chef Jonas Zipf hat eindrucksvoll vorgerechnet: In den drei für die Bibliothek vorgesehenen Geschossen sind 3700 Quadratmeter Nutzfläche geplant – gegenüber 1700 Quadratmetern, die derzeit verfügbar sind. Schon jetzt sei die EAB die größte und leistungsstärkste öffentliche Bibliothek Thüringens. Geplant sei, die Nutzerzahl pro Jahr von 14.000 auf 20.000, die Zahl der Entleihungen von derzeit 750.000 auf 1,25 Millionen zu erhöhen.

Verweildauer im neuen Bürgerservice: unter zwei Minuten

Die entscheidende Erfolgskennziffer für die Ernst-Abbe-Bücherei ist laut Jonas Zipf aber die Verweildauer. – Ganz im Gegensatz zum Bürgerservice, wie dessen Chef Olaf Schroth sagt: Jährlich werden 100.000 Besucher (pro Woche 2000) und 300.000 Vorgänge von den 70 Mitarbeitern betreut. Im Schnitt müssen die Besucher auf den 1000 Quadratmetern im verwinkelten Bürgeramt am Löbdergraben zweieinhalb Minuten Wartezeit einplanen. Nach Schroths Darstellung heißt das Ziel im künftig doppelt so großen Domizil „unter zwei Minuten“.

Um beim Dominospiel zu bleiben: Wenn die beiden meistfrequentierten Einrichtungen an den Start gegangen sind, muss es doch für Händler und Gastronomen ungemein reizvoll sein, am Engelplatz und in der Neugasse ein Geschäft zu betreiben – oder?