Nordhausen. Anekdoten, Rätsel und eine Reifenpanne: Rund 80 ehemalige KJS-Sportschüler und Gäste kamen zusammen.

Wie hoch ist die die Wahrscheinlichkeit, dass man auf einer Thüringer Autobahn auf eine Holzpalette trifft. Auch ein Professor für Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik wie Martin Böselt konnte diese Frage am Samstag nicht genau beantworten. Auf jeden Fall rumpelte der Organisator des 65-jährigen Jubiläums der Gründung der Kinder- und Jugendsportschule in Nordhausen mit seinem Auto bei Artern mit 110 Sachen über das Hindernis. Die Palette zerstörte Pneu und Felge. Böselt blieb glücklicherweise unverletzt und nach zwei Stunden machte ein Sondershäuser Abschlepper seine Karosse wieder fahrbereit.

Mit erleichtertem Beifall begrüßt, traf der Hauptredner 12 Uhr mittags in der Morgenröte-Schule ein, wo am 15. September 1954 eine der ersten KJS der DDR eröffnet wurde.

„Wir können es aber nicht genau sagen. Die heutige Aktenlage gibt es nicht her, ob wir in Nordhausen die ersten KJS-Schüler in der DDR waren“, sagte Böselt. Auf jeden Fall waren die 36 Schüler eine der ersten Abitur-Klassen, die später als Leistungssportler, Lehrer, Trainern und Sportfunktionären den DDR-Sport aufbauen sollten. Über die Trümmer des zerbombten Nordhausen liefen die Mädchen und Jungen zur Theo-Neubauer-Schule (heute Petersbergschule) und zur Turnhalle in der Morgenröte (heute Teil der Berufsschule). „Dabei haben wir oft über die Trümmer abgekürzt, obwohl das wegen der Blindgänger sehr gefährlich war“, erinnert sich Böselt an der Weg vom „Internat“ – der Gaststätte Balzer in der Stein-Straße. Horst Stief, der Nordhäuser Box-Nestor, las wie der Turn-Oldie Frank Lahn und andere Sportinteressierte in unserer Zeitung von der Veranstaltung und begrüßte am Samstag dann etliche Freunde von einst. „Ich durfte nicht an die KJS, weil die keine Boxer wollten. Aber wir Sportler hatten trotzdem zusammen unseren Spaß beim Kegeln auf der Bahn im Balzer oder beim Fußball“, erzählte Stief. An der KJS wurden nur Turner, Leichtathleten, Schwimmer und Wintersportler angenommen.

Ein Alpiner war Gerd Linder, der mit seiner Nordhäuser Mitschülern Anneliese Hujer (geb. Wenzel) plauderte. „Wir trainierten damals im Harz und in Oberwiesenthal“, erinnert sich Linder. Doch die DDR-Sportoberen stellten dann Ende der 60iger Jahre die Förderung solcher wenig medaillenträchtigen Sportarten ein. Ebenso wie die KJS in Nordhausen, deren Schüler und Lehrer 1967 nach Erfurt umziehen mussten.

Ein Schulfreund von Linder ist Jürgen „Atze“ May. Nordhausens Wunderläufer flüchtete 1959 in den Westen. Linder trifft sich noch heute immer wieder mit ihm. Gestern fehlte May wegen seines Urlaubs.

Europarekordler May ist einer der Sportgrößen, die in Nordhausens Schule in die Erfolgspur fanden. Peter Frenkel, Geher-Olympiasieger 1976, war am Samstag ebenso da wie Ex-Turner Günter Beier, der mit Olympiabronze in der Mannschaft 1968 die erste große Medaille für die KJS-Nordhausen geholt hatte. Es folgten Asse wie Bob-Pilot Bernhard Germeshausen und die Hürdenläufer Johanna Klier und Volker Beck.

Sigrid Eichner (geb. Köppen) ist die aktuell erfolgreichste Sportlerin der fast 80-Jährigen-Riege. Sie bestritt gerade ihren 2200. Marathon und Ultralauf. „Beim Berlin-Marathon habe ich Geburtstag“, freut sich die Dauerbrennerin schon. „Heute ist das ein kleines Ratespiel: Wer bis denn du“, lacht Eichner bis sich ihr Gegenüber vorstellt.

Aus den Nordhäuser Schülern ist auch im Beruf etwas geworden. Professoren und Doktoren füllten die Aula der Morgenröte. „Klassenprimus“ Wolf Schunke aus Nordhausen, diesmal gesundheitlich verhindert, war Botschafter in Afrika, Sigrid Keler (geb. Mehle), die die Veranstaltung moderierte, früher Finanzministerin in Mecklenburg-Vorpommern. „Der Sport und die KJS haben uns im späteren Leben viel geholfen“, sagt Keler.