Durch Corona an die Grenzen gekommen: Landkreis Nordhausen sucht Pflegefamilien

Doreen Hotzan
| Lesedauer: 3 Minuten
Interessenten, die eine Pflegschaft für ein Kind übernehmen wollen, müssen bestimmte Kriterien erfüllen (Symbolbild).

Interessenten, die eine Pflegschaft für ein Kind übernehmen wollen, müssen bestimmte Kriterien erfüllen (Symbolbild).

Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services

Nordhausen.  70 Eltern kümmern sich im Südharz um traumatisierte Kinder. Die Inobhutnahmen durch Corona sind rückläufig. Während der Pandemie waren viele Erziehungsberechtigte an ihre Grenzen gekommen.

Die Situation hat sich ein wenig entspannt. „Die Zahlen der Inobhutnahmen von Kindern sind seit den Corona-Lockerungen rückläufig“, berichtet Vizelandrat Stefan Nüßle (CDU) auf Nachfrage unserer Zeitung. Während der Pandemie seien Familien im Südharz aufgrund der Schließungen von Kindergärten und Schulen und dem damit verbundenen Homeschooling oft an ihre Grenzen gekommen. Hier hat das Jugendamt reagiert und die Kinder in Obhut genommen, die entweder bei ferneren Verwandten, einem Jugendhilfe-Träger, im Heim oder einer Pflegefamilie untergekommen sind. Allein 2020 musste der Staat in 102 Fällen im Südharz eingreifen. Im letzten Jahr lag die Zahl der Inobhutnahmen bei knapp über 60.

Während sich bei einem Jugendhilfe-Träger oder im Heim professionelles Personal um die Heranwachsenden kümmert, leisten Pflegeeltern in den Augen von Stefan Nüßle Erstaunliches. „Das geht über das normale Maß hinaus“, ist er überzeugt. Nach Auskunft von Kreissprecherin Jessica Piper gibt es derzeit 70 Pflegefamilien im Landkreis Nordhausen. Nach weiteren Interessenten wird stets Ausschau gehalten. Um potenziellen Kandidaten einen Einblick in die Tätigkeit und einen Überblick über die Anforderungen zu geben, veranstaltet der Landkreis inzwischen Pflegeelternseminare. „Das werden wir auch fortsetzen, um Eltern zu finden, die dieser Aufgabe gewachsen sind“, betont der Vizelandrat.

Pflegekinder haben oft eine traurige Vorgeschichte

Für 155 Kinder trägt der Landkreis derzeit die Verantwortung. Wer für ein Kind eine Pflegschaft übernehmen möchte, muss sich einige Dinge bewusst machen. So haben viele Kinder eine traurige Vorgeschichte. „Sie kommen beispielsweise aus zerrütteten Elternhäusern oder haben bereits Heimerfahrungen machen müssen“, gewährt Jessica Piper einen Einblick. Aufgrund ihrer oftmals traumatischen Erlebnisse sei der Umgang mit diesen Kindern nicht immer leicht. „Wer sich als Pflegefamilie zur Verfügung stellen möchte, sollte deshalb unter anderem psychisch belastbar und offen für die Problematik der Kinder sein“, so die Kreissprecherin weiter.

Die Bewerbung läuft über den Pflegekinderdienst (PKD) und ist an ein Prüfverfahren geknüpft. Dieses umfasst neben Gesprächen mit den Sozialarbeiterinnen die Einreichung von Unterlagen. Der PKD verschafft sich zudem bei einem Hausbesuch einen persönlichen Eindruck über die Gegebenheiten vor Ort. Eine gute Zusammenarbeit ist wichtig. „Pflegeeltern sollen fachlich im Hilfeprozess begleitet und durch den PKD unterstützt werden, auch um möglichst das Scheitern eines Pflegeverhältnisses zu vermeiden“, erläutert Jessica Piper.

Weiterhin sollten potenzielle Kandidaten bereit sein, an entsprechenden Schulungen und Seminaren teilzunehmen, um somit optimal auf die Pflegschaft vorbereitet zu sein. Den Pflegeeltern muss zudem klar sein, dass die leiblichen Eltern mit eingebunden werden sollten. „Eine Pflegschaft bedeutet eine Pflege auf Zeit“, verdeutlicht Stefan Nüßle. Wie lange diese Spanne dauert, kann niemand genau sagen. Häufig liegt es am Familiengericht zu entscheiden, ob die Inobhutnahme aufrechterhalten bleibt oder eine Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern möglich ist.