Großlohra. Südharzer AfD-Direktkandidat René Strube aus Niedergebra will vom Polizeirevier in den Landtag.

René Strube will hoch hinaus: Bei seinem Interviewtermin wie in der Politik. Was realistisch für ihn und seine Partei sei? Der Niedergebraer überlegt nicht lange, während er in kleinen Schritten eine Flanke der Hainleite hinauf schlendert. „Wir können vielleicht stärkste Partei werden“, sagt der 47-Jährige, der im Kreisgebiet für die AfD als Direktkandidat im Ringen um die Landtagsplätze antritt. Auch sich selbst bescheinigt er „reelle Chancen“. Und doch blickt er nachdenklich – immerhin habe er sich die Kandidatur nicht leicht gemacht – von der Anhöhe über Großlohra in den flachen Teil des Südharzes hinab. Seine Eltern leben noch immer am Fuße dieses Hangs, der wegen des unfruchtbaren Bodens Steinacker heißt. „Hätten wir nicht jedes Jahr Mist ausgebracht, wäre hier wohl gar nichts gewachsen“, erinnert sich Strube an seine Jugend und den Blick aus seinem einstigen Kinderzimmer: Bei gutem Wetter sieht man von hier den Brocken. Die paar Westautos auf der 243 gen Bad Lauterberg sah man zu DDR-Zeiten selbst bei schlechterer Witterung. Damals habe er sich viele Gedanken über die Grenze gemacht und viel darüber in der Schule gehört. „Und das Meiste habe ich den Lehrern sogar geglaubt“, ärgert er sich, auch weil Schüler seiner Meinung nach noch heute getäuscht werden.

Das muss er genauer erklären: Schon 2015, bei den ersten Kundgebungen der AfD in Erfurt, ist Strube dabei. Den Veranstaltungen bescheinigt er „eine familiäre Atmosphäre“. „Richtig ungemütlich wurde es erst, als wir an einer Schule vorbei sind und uns die Schüler beschimpft haben. Was haben die Lehrer denen wohl gesagt?“, fragt er.

Noch ärgerlicher sei für ihn aber etwas Anderes: „Sie würden Ihren Kinder doch sicher auch nicht empfehlen, mit einem Fremden mitzugehen. Mich wundert, dass Schülern beim Thema Migration vermittelt wird, dass bunt gleich schön ist.“ Doch der Vater drei erwachsener Kinder, der im Berufsleben als Polizeihauptmeister vor allem Diebstahlsdelikte bearbeitet, will auch Gefahren nicht unerwähnt lassen. Er befürworte deshalb die Abschiebe-Initiative 2020, wie sie die AfD in ihrem Wahlprogramm für illegale Einwanderer fordert.

Diese Sorge der Überfremdung ist eine neue für den Niedergebraer, der nach der Schule am Schacht in Sollstedt zum Schlosser ausgebildet wird. Das erste Jahr nach der Wende sucht er nach neuen beruflichen Perspektiven und findet sie bei einer Baufirma in Essen. „Ich hatte dort viele türkische und polnische Kollegen, mit denen ich gut ausgekommen bin“, erzählt Strube, der sich schließlich dennoch umorientiert und zur Polizei geht. Erst 15 Jahre später besucht er abermals seinen ehemaligen Arbeitsort im Ruhrgebiet. Und trifft auf eine Stadt, die er nicht wiedererkennt, wie er enttäuscht berichtet. Er fürchte nun, dass die Migration „mit Zeitverzögerung auch seine Heimat und die Gewohnheiten hier verändert“, dass „öffentliche Plätze eingenommen würden“.

Den Glauben an CDU und FDP hat er da bereits verloren. „Mir hat die FDP gefallen, bis sie zur Partei der Besserverdiener wurde und Möllemann gemobbt hat.“ Das Vorgehen der Bundesregierung unter einer CDU-Kanzlerin bei der Griechenland-Pleite und „echte Begeisterung für Björn Höcke (AfD-Landesvorsitzender) und Jürgen Pohl (AfD-Bundestagsabgeordneter)“ nennt Strube als die Gründe seiner Mitgliedschaft in der Partei. Wissend, dass ihm diese Sympathie als Polizist auch Probleme bereiten kann (wir berichteten gestern, Seite 1). In der Führungsetage seiner Dienststelle werde sein politisches Engagement jedenfalls „dezent kritisch“ betrachtet, erzählt Strube. Auf umstrittene Reden seines Parteikollegen Höcke angesprochen, reagiert Strube versöhnlich: Höcke spreche in klarem Deutsch. „Wer gut ist und etwas klar anspricht, wird auch angegriffen“, so seine Theorie zum polarisierenden Landeschef.

Der Weg am Steinacker wird derweil steiler. Ginge Strube weiter, käme er hinauf zum Lohrberg. Früher hat er hier Pilze gesammelt. Heute stirbt da der Wald. „Was hätte Birgit Keller wohl für ein Wahlthema, wenn es nicht so trocken gewesen wäre“, stichelt er die linke Konkurrenz in Gestalt der Forstministerin, die ebenfalls im Landkreis kandidiert. Auch mit ihm und der AfD in der Landesregierung würde der Wald geschützt, versichert er.

Nur dass für die Bürger das Mitspracherecht ausgebaut würde: „Wir wollen die direkte Demokratie stärken“, nennt Strube eines seiner Ziele in Erfurt. Zwangseingemeindungen seien in der AfD tabu. Sein Blick wandert gen Niedergebra. Sein neuer Heimatort hatte sich vor einem Zusammenschluss mit Bleicherode gesträubt. „In größeren Gemeinden sinkt die Bürgerbeteiligung“, fürchtet auch Strube, der nun weiter über den Landkreis gen Osten schaut: Etwas missmutig bleibt sein Blick dabei an den Solarfeldern auf Bleicherodes Halde und den Windrädern bei Wipperdorf hängen. „Jetzt sind sie einmal da, aber im Wald darf das nicht passieren.“ So wie Photovoltaik-Anlagen seiner Ansicht nach nur auf Dächer gehören. Bis Nordhausen lässt sich vom Steinacker nicht schauen. Aber auch hier weiß Strube um eine Aufgabe: „Einen an Arbeitsplätzen reichen und Tariflohn zahlenden Investor“ will er als Abgeordneter mit locken.

Serie: Wahl-Ort

Bis zur Landtagswahl am 27. Oktober treffen wir die Südharzer Direktkandidaten an ihren Lieblingsorten im Landkreis. Bisher erschienen sind die Porträts von:

  • Carolin Gerbothe, CDU (7. September)
  • Anika Gruner, SPD (19. September)
  • Katja Mitteldorf, Linke (25. September)
  • Otmar Ganter, FDP (28. September)
  • Rüdiger Neitzke, Grüne (2. Oktober)
  • Steffen Iffland, CDU (5. Oktober)
  • Carsten Dobras, FDP (8. Oktober)