Peter Cott über Verfehlungen einer Bundesministerin in der Thüringer Provinz.
Folgendes Szenario: Ein namhafter Politiker äußert seine ganz eigene Wahrheit und nutzt dafür Twitter. Haben Sie auch an Donald Trump gedacht? Falsch! Weiter im Szenario: Derselbe Politiker lässt den Verdacht aufkommen, nicht alles in der Zeitung stimme. Haben Sie gerade an Zwischenrufe mancher AfD-Demos gedacht? Wieder daneben! Gemeint ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).
Die gastierte neulich in Bleicherode und fand da deutliche Worte, was passiert, wenn Bauern sich nicht gegen erhöhte Nitrat-Werte im Boden stemmen. Sie gehe dann an Zuschüsse für die soziale Sicherung von Bauern. Allein: Vom Gesagten wollte sie kurz darauf nichts mehr wissen, reagierte auf die Kritik eines Branchenblattes per Twitter so: „Und nicht alles, was in der Zeitung steht... Sie wissen schon.“
Was wissen wir schon? Dass das Geschriebene nicht zwangsläufig vom Bund umgesetzt wird oder dass die Zeitung lügt? Klöckner spielt bewusst mit diesen Auslassungszeichen und lässt ihre Follower den Satz selbst in Gedanken beenden. Ein Affront gegen die Presse.
Dumm nur, dass gleich mehrere hiesige Landwirte ihre Drohung ebenso verstanden haben wie unsere Reporterin. Und noch ungeschickter: Auch ein Audiomitschnitt(!) des hiesigen Bürgerradios könnte Klöckners Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Da nämlich heißt es von ihr:
„Und dann werden wir verklagt – bis zu 800.000 Euro am Tag. Und die zieh‘ ich dann ab aus den 4,1 Milliarden Euro soziale Sicherung. Weil: Ich drucke das Geld nicht.“
Sich im Eifer des Wahlkampfs in Rage zu reden – das ist verzeihlich. Erklärend und entschuldigend hätte eine Ministerin dafür gerade stehen müssen. Zu versuchen, die Presse mit Klischees vom rechten politischen Rand in Verbindung zu bringen, ist es nicht. Klöckner schadet damit nicht nur ihrem Ansehen und ihrer Glaubwürdigkeit, sondern ihrer Partei im Thüringer Wahlkampf.
Bundesministerin besucht Bleicherode
Peter Cott