Nordhausen. Eigens um die MLPD im Südharz bekannter zu machen, ist Kurt Kleffel in die Rolandstadt gezogen.Für Marxistisch-Leninistischen-Partei-Deutschland steht er am 27. Oktober bei der Landtagswahl als Direktkandidat auf dem Wahlzettel.

Erst ein Jahr lebt Kurt Kleffel in Nordhausen, da hat er die Stadt so gut erkundet, um zu hadern: Die Suche nach seinem liebsten Ort macht sich der Direktkandidat der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) im Stadtgebiet zumindest nicht leicht: Soll es das Thomas-Müntzer-Standbild sein, oder doch lieber der Döner-Imbiss in der Bochumer Straße? Seine Wahl fällt schlussendlich auf das kurdische Bistro. Zu bewegend seien die Erlebnisse im nordsyrischen Kobanê gewesen. 2015 weilt Kleffel vier Wochen lang dort.

Seines und das Ziel seiner Mitstreiter: der Bau eines Gesundheitszentrums in einer Stadt, von der der Islamische Staat vor allem Schutt übrig gelassen hat. Heute würden in der Geburtsstation 400 Kinder im Monat geboren, schwärmt der Senior vom Erreichten. Mit einem sehnsüchtigen Lächeln erinnert sich der 66-Jährige an die gefährlichen Grenzübertritte unter Stacheldraht hinweg, den Rucksack nur mit Werkzeug gefüllt. Kein legaler Weg führt hinein in das autonome Gebiet an der türkischen Grenze. Einmal – in der Nacht zuvor hatte die Terrormiliz unweit des geplanten Gesundheitszentrums gerade 260 Menschen umgebracht – habe ein Kurde die Aufbauhelfer herzlich aufgenommen und beschützt. Während er das erzählt, bringt der Betreiber des Bistros fortwährend Tee und Teller voller Sahnetorte, als wolle er die Gastfreundschaft seiner Heimat noch einmal unterstreichen. „Die Schmerzen haben wir alle“, kommentiert er die jüngsten Geschehnisse im kurdischen Gebiet. „Es hat mich fasziniert, hier in der Stadt anzukommen und dem Kampf der Kurden auch hier zu begegnen“, erzählt Kleffel weiter, um die türkische Militäroffensive in die kurdischen Gebiete Nordsyriens anzuprangern. Die Bundesregierung empöre sich zwar, lasse aber Taten vermissen, klagt er zudem.

Dieser mahnende Zeigefinger soll Kleffel früh schon begleiten: 1968, in diesem für viele politisierenden Jahr, ist er 16 Jahre jung und protestiert gegen den Vietnamkrieg wie gegen den Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei. „Ich habe mir eben früh über das Weltgeschehen Gedanken gemacht“, sagt der Senior, der als Kind in Nordbayern unweit von der Grenze zur DDR aufwächst. Seinen Schulunterricht von damals brandmarkt er als „antikommunistisch und revanchistisch“.

„Die Wiedervereinigung war gut, das will ich betonen.“ Doch Kleffel betont auch, dass ein differenzierter Blick auf den Staat nötig sei, den seine Lehrer damals nur madig machten. Vom Schulsystem der DDR ließe sich etwa viel lernen. Abgesehen von der Indoktrination sei es besser gewesen als das heutige, findet Kleffel, der für eine Vereinheitlichung der Bildung eintritt. Auch den höheren Praxisbezug wie an den einstigen Polytechnischen Oberschulen würde Kleffel gern wiederbelebt sehen. „Es braucht einfach mehr Investitionen in das Bildungswesen.“ Der Landesregierung in Erfurt wirft Kleffel eine Entweder-Oder-Haltung vor. „Die Frage nach einem weiteren beitragsfreien Kindergartenjahr oder nach mehr Erziehern stellt sich für mich gar nicht stellen. Es braucht beides“, sagt der Vater zwei erwachsener Söhne. Doch woher das Geld nehmen, wo sparen? Kleffel, der gelernte Werkzeugmacher, überlegt nicht lange bei dieser Frage. Er muss wohl an Großunternehmen denken, wie es sein ehemaliger Arbeitgeber, der Schreibwarenhersteller Geha, einmal war. „Große Firmen müssen steuerlich mehr in die Pflicht genommen werden“, appelliert er für eine Umorientierung in der Finanzpolitik.

Kleffel weiß selbst wie unrealistisch für ihn ein Einzug in den Landtag ist. Er hofft auf ein Prozent der Stimmen. Aber zumindest wolle er den Menschen ein Angebot machen, wolle er mit seinen Parteikollegen Stück für Stück „ein wahrnehmbarer Faktor in der Politik werden“, wie er sagt. Die MLPD auch hier bekannter zu machen, dafür ist er eigens nach Nordhausen gezogen. „Der Wunsch nach politischer Umorientierung ist schließlich da“, so sein Gefühl.

Schaffe er es dennoch nach Erfurt, würde sich auch eine der ersten Maßnahmen mit großen Betrieben beschäftigen, verspricht der 66-Jährige, für die Angleichung der Ostlöhne an die im Westen zu kämpfen. Es dürfe nicht sein, dass jemand bei der Bauer-Gruppe 2,50 Euro mehr verdiene als jemand beim Tochterunternehmen Schachtbau. „Max aus Nordhausen verdient das Gleiche wie Otto aus Bayern“, überspitzt er ein Problem, das er auch bei den Renten sieht. Parlamentarisch sei das zwar zu lösen, aber die Gewerkschaften und Betriebsräte könnten sich seiner Hilfe gewiss sein, verdeutlicht er beim nächsten Stück kurdischer Torte.

Betriebsrat – es ist ein Reizwort für den langjährigen Gewerkschaftler Kleffel, erinnert es ihn doch an die jüngste Gipsdebatte, in der die Betriebsräte der hiesigen Bergbauunternehmen kürzlich mit Sanktionen gegenüber Nordhäuser Angestellten drohten. „Es ist empörend, dass sich die Betriebsräte nicht für das Wohl aller Mitarbeiter einsetzen, etwa durch ein attraktives Lebensumfeld im Südharz, und sich so vor den Karren der Industrie spannen lassen“, ärgert er sich. Von der Landesregierung sei da mehr Widerstand zu erwarten. Durch eine Industrieansiedlung mit entsprechend vielen Arbeitsplätzen ließe sich aber die Pistole von der Brust nehmen, glaubt der Mann, der das Profitprinzip auch für die Rettung des Waldes gern ausgehebelt sähe: Kranke Bäume aufgrund schlechter Holzpreise im Wald stehen zu lassen, das dürfe allein schon wegen der Verantwortung unserer Enkel gegenüber nicht sein, sagt Kleffel.