Nordhausen. Die Awo-Schuldnerberatung half voriges Jahr 452 Südharzern. Im Schnitt stand jeder von ihnen mit rund 31.000 Euro in der Kreide.

Jeder zehnte Südharzer über 18 Jahre ist überschuldet, kann also von seinem Einkommen nach Abzug der Lebenshaltungskosten nicht alle Kredite und andere Zahlungsverpflichtungen abzahlen. So hat es die Wirtschaftsauskunftsdatei Creditreform ermittelt.

Doch Monika Röthling, die Leiterin der Awo-Schuldnerberatung in Nordhausen, geht von einer „erheblich höheren“ Überschuldungsquote aus. Denn Creditreform erfasse alle Verbindlichkeiten bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern, wie Kommunen, Finanzämter und die Arbeitsagentur nicht.

Im vergangenen Jahr hatten die Schuldnerberater in Nordhausen 452 Fälle zu bearbeiten, 129 davon kamen neu auf ihren Tisch. Die meisten Ratsuchenden brauchen über mehrere Jahre Hilfe: Mitunter fehlen Unterlagen, haben die Menschen zugleich psychische oder Suchtprobleme. Oft sind die Probleme zu groß, ist die Zahl der Gläubiger hoch. „121 Klienten brachten mehrere Ordner, aus denen 21 bis zu 50 Gläubiger herausgefiltert wurden. Bei elf Personen wurden sogar über 50 verschiedene Gläubiger erfasst und in die Verhandlungen einbezogen“, schildert Monika Röthling. In 53 Fällen dauerte die Beratung gar fünf Jahre und länger.

Durchschnittlich standen die Schuldner mit 31.000 Euro in der Kreide. „Viele Ratsuchende kamen mit dem Ziel, so schnell wie möglich in eine Privatinsolvenz zu kommen. Um aber eine nachhaltige Entschuldung zu erreichen, die Ursachen der finanziellen Probleme herauszufinden und eine neue Überschuldung zu vermeiden, stand immer zuerst die Schuldnerberatung und nicht die Insolvenzberatung im Vordergrund“, betont Röthling. Da ein Insolvenzverfahren manchmal die einzige Möglichkeit der Entschuldung war, wurden die Voraussetzungen dafür geprüft sowie Hürden eines solchen Verfahren aufgezeigt.

2019 konnten sich 32 Klienten der Schuldnerberater nach einem erfolgreichen Verbrau-cherinsolvenzverfahren über einen Beschluss zur Restschuldbefreiung freuen und damit ohne den Schuldenberg einen Neustart beginnen.

Hauptauslöser für die großen finanziellen Probleme waren bei 52 Prozent der Klienten Arbeitslosigkeit. Bei 29 Prozent führten Scheidung oder Trennung in die Überschuldung. Aber auch Krankheit oder Unfälle waren bei 21 Prozent Hauptursachen für langfristige finanzielle Probleme.

Trotz eines Berufs- oder Studienabschlusses, über den 70 Prozent der überschuldeten Personen verfügten, stellten die Schuldnerberater zum Teil eine fehlende finanzielle Allgemeinbildung oder eine unwirtschaftliche Haushaltsführung fest. Dann nahmen eine Budgetberatung und Haushaltspläne einen Beratungsschwerpunkt ein.

305 der 452 Ratsuchenden wohnten in Nordhausen, 50 kamen aus dem Raum Bleicherode. Aber auch anhand der 29 Fälle aus den Harztorgemeinden, 22 aus Sollstedt und 20 aus Ellrich waren territoriale Schwerpunkte im Landkreis zu erkennen.