Saale-Holzland. Sebastian Röher hat nun selbst eine Aktion angeschoben: Zum Metal-Festival „Rockharz“ im Juli will er erzählen, wie leicht es sein kann, Leben zu retten.

Sebastian Röher ist ein Lebensretter. Der 34-Jährige aus Graitschen bei Bürgel hat einem Mann aus Westdeutschland geholfen, wieder ein normales Leben führen zu können. „Mich hat sein Schicksal stark berührt. Mit 57 Jahren hätte der Mann vom Alter her mein Vater sein können. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was er durchmachen musste“, sagt der Thüringer.

Alles begann am 9. April 2023 in Jena. An diesem Ostersonntag erwartete der FC Carl Zeiss Jena mit dem FSV 63 Luckenwalde einen unbequemen Gast im heimischen Stadion. Sebastian Röher ließ sich das Spiel als großer FCC-Fan natürlich nicht entgehen. „Kurz vor der Halbzeitpause musste ich aufs Klo. Ich beeilte mich, weil jeder weiß, dass die Toiletten voll sind, sobald die erste Halbzeit einmal abgepfiffen ist. Doch es war schon zu spät. So stand ich neben der Tribüne und habe gewartet.“

Saale-Holzland: Typisierungsaktion am Ostersonntag 2023 im Jenaer Stadion

Dabei fiel sein Blick auf den Stand der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSD), die für die damals siebenjährige Marla aus dem Saalfelder Ortsteil Schmiedefeld eine Typisierungsaktion organisiert hatte. „Weil ich schonmal da war, Zeit hatte und es seit Corona nichts Ungewöhnliches mehr war, sich ein Stäbchen in eine Körperöffnung zu stecken, habe ich mich typisieren lassen“, sagt Sebastian Röher. Mit einem Wattestäbchen erfolgte der Wangenabstrich, bei dem vor allem Zellmaterial aus der Mundschleimhaut gesichert wird.

Keine drei Monate später habe er einen Anruf erhalten, dass er als möglicher Spender in Betracht komme – nicht für Marla, aber für eine andere Person. In dieser Situation einen Rückzieher zu machen, sei für ihn nicht in Frage gekommen. So habe er Unterlagen ausgefüllt und sich bei seinem Hausarzt Blut abnehmen lassen. Die Blutproben wurden an das Labor der DSD geschickt. Anfang Oktober 2023 habe er dann die Bestätigung erhalten, dass er seinem „genetischen Zwilling“ gesunde Stammzellen spenden und damit einem ihm völlig unbekannten Menschen, der an Blutkrebs erkrankt ist, eine neue Chance auf Leben geben kann.

Leichter kann man niemandem das Leben retten. Ich habe es mir viel unangenehmer vorgestellt, als es letztlich war.
Sebastian Röher - Lebensretter aus Graitschen bei Bürgel

Nach einer Voruntersuchung fuhr der in Jena geborene Lebensretter schließlich am 30. November vergangenen Jahres zum Spendentermin nach Dessau-Roßlau. Reisekosten, Hotelübernachtung und Verdienstausfall sind von der DSD getragen worden. „Leichter kann man niemandem das Leben retten. Ich habe es mir viel unangenehmer vorgestellt, als es letztlich war.“

Eine Knochenmarkspende sei mittlerweile nur noch der Notfallplan. Er habe sich vier bis fünf Tage vor der Spende ein Medikament spritzen müssen. Für die Spende wurde er vor Ort an einen sogenannten Zellseparator angeschlossen, in dem an beiden Armen ein venöser Zugang gelegt wird. Die Maschine, der Zellseparator, trennt das Blut in die einzelnen Bestandteile auf. Das ermöglicht es, die entsprechenden Zellen aus dem Blut zu sammeln. Das Blut verlässt also auf der einen Seite den Körper, fließt durch den Zellseparator und wird dem Körper auf der anderen Seite über den zweiten Zugang wieder zugeführt. Ein kleiner Teil des Blutes, der die für die Krebspatienten wichtigen Zellen beinhaltet, wird dabei abgesammelt. Etwa zweieinhalb Stunden habe die Prozedur bei ihm gedauert, sagt der 34-Jährige. „Ich konnte den zweiten Film auf meinem Tablet gar nicht zu Ende schauen.“ Er habe ein paar Tage grippeähnliche Symptome gehabt, mehr nicht. „Es ist ein Puppenfurz, was der Stammzellspender durchmachen muss. Ich wäre sofort wieder bereit zu spenden, falls es sich ergeben sollte.“

Sebastian Röher wäre für ein Treffen mit dem Mann offen, dem er Stammzellen spendete

Auf Eigeninitiative konnte er als Spender bei der DSD in Erfahrung bringen, wer seine Stammzellen erhalten hat. „Mir wurde gesagt, dass die Spende für einen 57-Jährigen aus Westdeutschland erfolgreich war.“ Über die Stammzellspenderdatei habe er ein paar persönliche Worte an den Mann gerichtet. „Ich habe auch geschrieben, dass ich für ein Treffen offen wäre.“ Eine Rückmeldung habe er aber bisher noch nicht erhalten.

Sebastian Röher hat in Jena eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB) absolviert. Danach habe ihn der Arbeitsmarkt nach Dresden gespült. Über Umwege sei er 2017 schließlich im Unternehmen Trans4mation gelandet, wo er seitdem als IT-Systemingenieur arbeitet.

Seit 2006 besuche er regelmäßig Spiele des FCC. Seit 2008 ist er Vereinsmitglied, seit 2010 Dauerkartenbesitzer. „Heimat verpflichtet und ich habe mich schon immer für Fußball interessiert“, sagt er. Richtig entfacht worden sei die Begeisterung für die Jenaer Kicker bei einer Schulexkursion ins Ernst-Abbe-Sportfeld. „Wir haben damals Freikarten geschenkt bekommen. Ich bin dann mit einem Kumpel zum Spiel gegangen, und seitdem bin ich fast bei jedem Heimspiel dabei.“ Auch Auswärtsspiele in der näheren Umgebung schaue er sich gern an.

Weitere Nachrichten aus dem Saale-Holzland-Kreis

Am 9. April 2023, als sich Sebastian Röher im Stadion typisieren ließ, siegte der FCC mit 3:0 gegen Luckenwalde.

Röher hat nun selbst eine Aktion angeschoben: Als Metal-Fan habe er vorgeschlagen, dass zum „Rockharz Open Air“, das in diesem Jahr vom 3. bis 6. Juli wieder auf dem Flugplatz Ballenstedt veranstaltet wird, zur Typisierung eingeladen wird. Mit DSD und Festivalveranstalter habe er bereits gesprochen. Mit mehr als 24.000 Teilnehmern sei das Festival der ideale Ort, um junge Menschen aufmerksam zu machen und sie als mögliche Stammzellspender zu gewinnen. „Ich habe mir vorgenommen, selbst auch am Stand präsent zu sein. Denn ich kann aus erster Hand erzählen, wie einfach es sei kann, Leben zu retten.“

Die Deutsche Stammzellspenderdatei (DSD) ist eine der größten von 26 Stammzellspenderdateien in Deutschland. Im Kampf gegen Blutkrebs arbeiten alle 26 Dateien gemeinsam. Die Daten aller Register gehen in die Datenbank des Zentralen Knochenmarkspender-Registers Deutschland (ZKRD) ein und sind somit verknüpft. Über dieses Zentralregister https://zkrd.de/ wird für Patienten nach einem passenden Spender gesucht.