Gebesee. Direktkandidaten im Wahlkreis 16: Jörg Kellner will für die CDU zum dritten Mal in den Thüringer Landtag einziehen

Er ist der Platzhirsch, der Titelverteidiger. Diese Einordnung gefällt Jörg Kellner aber nicht. „In der Politik gilt das nicht, da läuft das anders“, sagt der 61-Jährige. Für die CDU hat Kellner schon 2009 und 2014 das Direktmandat im Landtagswahlkreis 16 (Sömmerda I, Gotha III) geholt. Er will das Triple.

Vor zehn Jahren sammelte er 31,6 Prozent der Stimmen, vor fünf Jahren waren es gar 39,5.

Die Zeiten sind aber andere. Es gibt einen neuen Gegenspieler auf dem Feld. Den aggressiveren Umgang, laute, unsachliche Töne hat Kellner registriert.

Als sicher sieht er den erneuten Einzug ins Landesparlament nicht an. Er kennt Prognosen, die der CDU gerade mal zwei Direktmandate als in Stein gemeißelt zubilligen. Im Eichsfeld . . .

Kellner will kämpfen. Einen Plan B habe er nicht. Daran wolle er keinen Gedanken verschwenden. Das koste höchstens Konzentration. Er will mit den Leuten reden und hat vor, dabei „tausend Hände und mehr zu schütteln“. Er sei da „absolut analog“ unterwegs.

Ländlich geprägt, für Kultur aufgeschlossen

Um in Kellner eher liegende ländliche „Bilder“ zu wechseln: Ihn umwabert sozusagen permanenter hiesiger Stallgeruch. Das unterscheide ihn von der meist „eingeflogenen“ Konkurrenz. Kellner (verheiratet, zwei erwachsene Söhne) lebt noch immer da, wo er aufgewachsen ist, allerdings nicht in seinem Elternhaus, sondern in einem ausgebauten Vier-Seiten-Hof.

„Man könnte sagen: Ich bin praktisch aus Zimmernsupra nie rausgekommen“, lacht er. Ist er natürlich doch – zumindest immer mal wieder. Er hat Motorenschlosser gelernt, in der LPG Töttelstädt gearbeitet, Wehrdienst in der NVA geleistet, an der Ingenieurschule für Landtechnik in Nordhausen und später, 1992 bis 1994, noch einmal an der Thüringer Verwaltungsschule Weimar (Abschluss als Verwaltungsfachwirt) studiert.

1990 bis 1994 war er hauptamtlicher Bürgermeister von Zimmernsupra, danach hat er dieses Amt bis 1999 ehrenamtlich fortgesetzt. 1994 bis 2009 fungierte er als Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft „Nesseaue“ mit Sitz in Friemar. Die politische Wende, die offene und freie Gesellschaft seien für ihn Initialzündung gewesen. Er habe erkannt, gestalterisch vor Ort wirken zu können.

Im Thüringer Landtag folgte er im 16er-Wahlkreis auf Volker Sklenar (CDU), den ehemaligen Landwirtschaftsminister.

Dort ist Kellner allerdings nicht, wie man bei dessen „lebenslanger Verbundenheit mit der Landwirtschaft“ denken könnte, unter den ausgewiesenen Agrariern. Vielmehr wirkt der Gothaer Kreisvorsitzende der CDU als Kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Kellner sieht das nicht als Widerspruch, verweist auf sein Faible für Theater, Ausstellungen, Museales (die neuen Bauhaus-Tempel), outet sich als früher begeisterter Berlinale-Gänger. Leider fehle ihm dafür heute die Zeit.

Aber wichtig sei nicht die Hochkultur allein. Gerade im ländlichen Raum stünden die ehrenamtlich getragenen Vereine dafür, dass das Leben lebenswert bleibe.

Zudem ist der 61-Jährige Mitglied in den Landtagsausschüssen für Inneres und Kommunales sowie für Europa, Kultur und Medien. Als Obmann seiner Fraktion saß er im Untersuchungsausschuss 6/1 (Rechtsterrorismus und Behördenhandeln, dem sogenannten NSU-Untersuchungsausschuss). Er ist im Freundeskreis Israel.

Er hat Sitz und Stimme im Kreistag Gotha und ist Vorstandsmitglied im Evangelischen Arbeitskreis der Thüringer CDU, Vize im Regionalverband Mittelthüringen des Arbeiter Samariter Bundes. Er gehört dem Kultur- und dem Feuerwehrverein Zimmernsupra an.

In die Schlagzeilen – unnötig und unbegründet, sagt er – geriet Kellner Ende 2018, als seine Immunität als Landtagsabgeordneter aufgehoben wurde. Ein formaler Schritt, von der Staatsanwaltschaft beantragt, um Ermittlungen gegen ihn einleiten zu dürfen, betont er. Es sei um den Vorwurf des Verstoßes gegen das Parteiengesetz im Zusammenhang mit der Gothaer Omnibus-Affäre (TA berichtete) gegangen. „Die Ermittlungen sind längst eingestellt“, sagt Kellner. Er habe nie etwas zu befürchten gehabt. Ohnehin sieht er die Immunitätsregelung als überholt an: „Also ich brauche sie nicht.“

Fürs Wahlgespräch hat er nach Gebesee eingeladen – wegen des landwirtschaftlichen Bezugs. Zum Glück nicht direkt auf den Acker, sondern auf den Erdbeerhof. Der hat große Hallen. Es regnet nämlich – wie von den Landwirten so lange vermisst – ausdauernd, während sich viel um die zuletzt zwei trockenen Sommer dreht. Für Kellner sind die ein Riesen-Thema.

Über Erfurt in Berlin etwas bewegen

„Unsere Landwirte, vor allem auch der Obstbau, brauchen Wasser“, sagt er. Er setzt sich für ein Fernwasserprojekt ein, das Wasser von der Schmalwassertalsperre heranführen soll. Ab 2021 könnte zuerst die Fahner Höhe zum Zuge kommen.

Er will – Schlagworte – Vollbeschäftigung, die Förderung von Landwirtschaft und Umwelt, Energiewende mit Augenmaß, Frackingverbot, Priorisierung von Investitionen in Bildung, Familie und Infrastruktur, regionale Wertschöpfung, flächendeckenden Breitbandausbau auf dem Land. Er will die Schlösser Friedrichswerth und Friedrichsbrunn in der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wissen – in einer Förderstiftung.

Er fordert eine bessere Ausstattung der Polizei, insbesondere der Kontaktbereichsbeamten (KOBBs) im ländlichen Raum. Und er will sich weiterhin für den Erhalt der Schulen auch in kleinen Strukturen einsetzen.

Schließlich hofft er, dass die CDU im Ergebnis der Wahlen stärkste Fraktion wird und so den Ministerpräsidenten stellt. Nur so, als Regierungskraft in Thüringen, könne in Berlin entscheidend Einfluss ausgeübt werden, sagt Kellner.