Kannawurf. IBA-Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Möglichkeiten der Landwirtschaft im Klimawandel. Anstoß mit Experten

„Klima – Zukunft – Kannawurf“ ist auf der Leinwand zu lesen, die auf der sonst oft durch Kleinkunst belegten Bühne im Saal des Kannawurfer Schlosses aufgespannt ist.

Die Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen hat zum Workshop gebeten.

Die IBA verfolgt hier mit dem Künstlerhaus Thüringen und ansässigen Agrarbetrieben ein Projekt. „1500 Hektar Zukunft“ ist das überschrieben. Der Workshop ist sozusagen, oder soll sie geben, die Initialzündung.

Er ist hochkarätig besetzt. Projektleiterin Kerstin Faber begrüßt neben den den lokalen Sachverstand garantierenden Vereinsvertretern und „einfach so“ Interessierten auch die im Kannawurfer Umland ackernden Unternehmen aus dem Ort selbst und aus Oldisleben. Fachkompetenz und wissenschaftliche Expertise bringen die Projektbegleiter Lisa-Marie Enzenhofer und Bernhard König vom Kompetenzzentrum für urbane grüne Infrastruktur „Green 4 Cities“ aus Wien, Dr. Frank Augsten vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) sowie Frank Reinhardt, Leiter der bei der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie angesiedelten Thüringer Klimaagentur mit. Letztere soll Forschungsarbeiten zum Klimawandel initiieren, koordinieren und unterstützen. Sie stellt dafür regionale Klimadaten bereit, bereitet sie auf und interpretiert sie auch.

Diese Daten flossen bisher schon in die Regionalplanung ein, sind jetzt zunehmend in der Stadt- und Landschaftsplanung gefragt und können, so Reinhardt, noch detaillierter geliefert werden. Das ist das, was das Kannawurfer Projekt braucht.

Das unterstreicht als externer Fachmann Prof. Dr. Lutz Katzschner. Der Meteorologe und Klimatologe hat nach seiner akademischen Laufbahn (Uni Kassel) in Lohfelden ein Institut für Klima- und Energiekonzepte gegründet, beschäftigt sich mit Klimaanalyse, mit Extremwetter (Starkregen, Überschwemmungen, Hochwasser, Trockenheit, Hitze) und Klimaanpassung im Großen wie im Kleinen.

In Kannawurf hält er den Einführungsvortrag auf der Basis der von Reinhardts Klimaagentur zur Verfügung gestellten Daten und eigener Vergleichserfahrungen und -ergebnisse. Seine Kernaussage: Der Klimawandel ist längst da, nicht nur global, sondern auch lokal. Extreme lassen sich künftig nicht verhindern. Sie werden häufiger auftreten. Es gilt, sie zu planen. Genauer gesagt, zu planen, wie mit ihnen klarzukommen ist. Dafür stellt er Simulationen an. „Wir bräuchten Grünland da, wo jetzt geackert wird, Pflanzenbau da, wo jetzt Wiese ist. Und ein Überdenken der einst angelegten Grabensysteme zum Beispiel.“

Für Kannawurf hat er das in Ansätzen bereits geleistet. Er zeigt auf topografische Karten und schildert die zwischen 1981 und 2010 erfolgten klimatologischen Veränderungen. Weniger Frosttage, eine in 30 Jahren um 19 Tage verlängerte Vegetationsperiode, Veränderungen in der Ventilation, beim Oberflächen- und beim Grundwasser.

Er prognostiziert nach einer Modellhypothese das Erreichen höherer Maximaltemperaturen in Spitze und Dauer. Er sagt auch: „Wir wissen die Richtung. Wir können nichts falsch machen.“ Szenarien könnten im Wissen um deren Auswirkungen entwickelt werden.

Frank Reinhardt ergänzt: „Die genauen Daten dafür sind da. Zum Beispiel täglich gemessene Landoberflächentemperaturen.“ Frank Augsten streut ein, dass alles Wissen ohne „Handreichungen“ vor allem für die Landwirte nichts bringen werde. „Sie brauchen Anreize“, sagt er – und ergänzt: „Unsere Landwirtschaft hier wird gebraucht. Das ist eine Erkenntnis, die endlich wieder durchkommt. Sie ist unentbehrlich für die Nahrungsmittelproduktion.“ Die vielleicht besten Böden weltweit seien eine wichtige Ressource. Sie müssten wertgeschätzt werden, der Erosion durch Humusaufbau Einhalt geboten werden.

Landwirt Udo Wengel hört sich das alles an – und sagt, dass er zuallererst die Interessen seiner Landverpächter befriedigen müsse. „Ende 2018 habe ich gesagt: ,Nur nicht noch so ein Jahr.‘ 2019 gestaltet sich die Ertragssituation noch schwieriger. Irgendwann werde ich nicht mehr pünktlich, schon gar nicht immer mehr zahlen können.“

Wege, mikroklimatologische Gestaltungsprozesse in Gang zu setzen und gleichzeitig wertschöpfende Landwirtschaft betreiben zu können, sollen im IBA-Zukunftsprojekt gesucht werden. Nach einer angeregten Diskussion schon während und nach Lutz Katzschners Vortrag fanden sich die Workshopteilnehmer noch zur Ideenentwicklung in zwei Arbeitsgruppen zusammen. „Es lässt sich viel bewegen, auch im Kleinen“, ist Lisa-Marie Enzenhofer überzeugt.

Das IBA-Forschungsprojekt „1500 Hektar Zukunft“ läuft noch bis Ende 2020.