Bilzingsleben. Die Entdeckertour In der Grabungsstätte „Steinrinne“ in Bilzingsleben wird die Lebenswelt des Urmenschen lebendig

Wer erleben möchte, wie Tiere und Menschen vor fast 400.000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Thüringen lebten, der sollte nach Bilzingsleben fahren. Auf dem Areal der archäologischen Grabungsstätte etwa 1,5 Kilometer südlich des Dorfes wird der Besucher zurückversetzt in jene Zeit, in der der Homo erectus am Rande des Wippertals als hochspezialisierter Großwildjäger lebte.

Seit dieser Saison ist die Ausstellung mehr denn je für Familien geeignet, denn zu sehen ist nicht nur die Fundstätte an sich, sondern in einer 3D-Visualisierung wird auch die damalige Lebenswelt anschaulich gezeigt. Neben dem Homo erectus sind in kleinen Filmen derzeit der Mossbacher Löwe, ein eiszeitliches Waldnashorn und der eurasische Waldelefant zu sehen. In den kommenden Jahren sollen weitere Tiere hinzukommen.

Zu bedienen ist das interaktive Pult kinderleicht. Die Nachbildung eines Fundstückes wird auf die gekennzeichnete Fläche gelegt und per Knopfdruck der Film gestartet, der auf der großdimensionierten Leinwand in der Ausstellungshalle aus dem Knochen zunächst das gesamte Skelett entstehen lässt und daraus das Lebewesen, das sich anschließend in Bewegung setzt und zum Schluss sogar in der damaligen Landschaft agierend zu sehen ist. Dazu gibt es eine Vielzahl an Informationen zur Ernährung, dem Verbreitungsgebiet und ähnlichem.

Der Homo erectus Bilzingslebenensis gehört zu den frühesten Menschenfunden in Mittel- und Nordwesteuropa. Bis heute wurden auf seinem früheren Lagerplatz am Nordrand des Thüringer Beckens insgesamt 28 Schädelreste, ein rechter Unterkieferast und 9 einzelne Zähne dieses frühen Menschen gefunden. Außerdem mehr als 140.000 Feuersteinartefakte, Tausende andere Geräte sowie Skelettreste von Tieren, die offensichtlich die Jagdbeute des Urmenschen waren. Auf dessen Speisekarte standen vor allem Elefant und Nashorn. Die Überreste von mehr als 70 Elefanten und 240 Nashörnern wurden in Bilzingsleben gefunden.

Wenn der Besucher heute das Areal der Grabungsstätte betritt, kommt er zunächst zum Infoturm, wo ein Einführungsfilm gezeigt wird. Der Gast kann sich entscheiden, ob er die Steinrinne dann auf eigene Faust erkunden oder sich für eine Führung anmelden will. Diese dauert etwa eine Stunde. Der Archäologe Enrico Brühl, wissenschaftlicher Leiter der Ausgrabungsstätte, weiß spannend zu erklären, wie der frühe Mensch auf dem Siedlungsplatz in Bilzingsleben gelebt hat und welche Bedeutung die weltweit beachteten Funde der Steinrinne haben.

Der Weg zur Ausstellungshalle führt vorbei an Nachbildungen der Behausungen, in denen der frühe Mensch gelebt haben muss. In einem Steinzeitgarten auf dem Gelände sind auch einige der Baum-, Strauch- und Krautarten zu sehen, die damals im Thüringer Becken wuchsen. Große Teile Thüringens waren in jener Zeit von einer Steppe bedeckt. Bei der Gestaltung des Gartens konnten die Akteure auf exakte Abdrücke von Pflanzen im Travertin der Steinrinne zurückgreifen. Feuerdorn und Buchsbaum etwa gab es hier.

In der Ausstellungshalle können Gäste von einer gläsernen Brücke aus direkt auf Teile des geheimnisvollen Knochenpflasters im Original schauen, das die Archäologen freigelegt haben. Vor 50 Jahren fand Professor Dr. Dietrich Mania den Lagerplatz des Homo erectus in Bilzingsleben, 1972 wurde das erste Knochenstück eines Menschen ausgegraben.

Ein Besuch auf der Steinrinne Bilzingsleben lohnt sich aus zweierlei Gründen, findet Enrico Brühl. Zum einen wegen der „unglaublichen historischen Bedeutung“ der Fundstätte, zum anderen wegen der sehr abwechslungsreichen und schönen Landschaft rund um Bilzingsleben. Für Familien hat der Leiter der Ausgrabungsstätte den Tipp: Gerne einen Picknickkorb mitbringen und die Reise in die Welt unserer Vorfahren in der herrlichen Gegend etwas nachklingen lassen.

Wer sich ein Andenken von Bilzingsleben mit nach Hause nehmen möchte, kann die Steinrinne-Medaille erwerben. Seit dem Jahr 2013 gibt es eine solche Medaille mit jährlich wechselndem Rückseitenmotiv. In diesem Jahr ist es der Mossbacher Löwe.