Unsere Redaktion muss sich in Zeiten der Corona-Krise vermehrt mit Vorwürfen auseinandersetzen, wir würden die Situation nutzen, um Geld zu machen. Das ist zum Teil verständlich, zugleich aber auch paradox und grotesk.

In Zeiten von Corona erreichen unsere Redaktion vermehrt Vorwürfe, wir würden die Krise nutzen, um Geld zu machen. Unsere Leistungen werden als Selbstverständlichkeit und frei verfügbares Allgemeingut gesehen. Das ist zum Teil nachvollziehbar, zugleich paradox aber auch grotesk.

Nachvollziehbar, weil journalistische Leistungen privatwirtschaftlich agierender Verlage im Internet über Jahre frei verfügbar waren und sich so eine Gewohnheit bei den Lesern und Nutzern eingestellt hat. Momentan verzeichnen wir steigende Zugriffszahlen auf unsere Webseite. Somit kommen noch mehr Menschen als sonst in Kontakt mit unserer Bezahlschranke, die wir bereits seit Jahren haben.

Unsere Marke genießt in Thüringen als verlässliche Informationsquelle ein hohes Vertrauen. Allgemein rangieren Regionalzeitungen in Deutschland gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen Angeboten an vorderster Stelle.

Da kommen wir zu einem weiteren Punkt, weshalb die Vorwürfe gegen uns zum Teil nachvollziehbar sind. Denn es gibt unterschiedliche Finanzierungsmodelle für journalistische Angebote. Öffentlich-Rechtliche leben vor allem von Gebühren, aber auch von Werbung. Es gibt reine Nachrichten-Webseiten, die ihre große Reichweite monetarisieren. Das sind meist überregionale Angebote, die sich über Werbung, Shopping und andere Geschäftsmodelle finanzieren.

Finanzierung über Mix aus Aboeinnahmen und Werbung

Diese sind aber zwingend auf eine große Reichweite, also viele Klicks, angewiesen, was sich stellenweise auf die journalistische Qualität auswirkt. Es gibt zudem Seiten, die zum Beispiel durch Stiftungen finanziert werden. Es gibt also viele freie Angebote im Internet, die den bezahlpflichtigen der Verlage, die für sich genommen nicht die großen Reichweiten haben, gegenüberstehen. Dieses Wissen kann man von branchenfernen Menschen, Lesern, Nutzern nicht erwarten. Auch deshalb ist der Vorwurf nachvollziehbar. Verlage haben sich jedoch schon immer zum großen Teil aus Aboeinnahmen und Werbung finanziert. Warum sollte das im Internet anders sein?

Paradox wird es, wenn man die Arbeit unserer Redakteurinnen und Redakteure einbezieht. Wir recherchieren, verifizieren, schreiben und kuratieren Informationen. Wir tragen an Orten Informationen zusammen, die ohne diese Arbeit von unabhängigem Journalismus abgeschnitten wären. Paradox ist auch der Vorwurf, Redaktionen würden frei verfügbare Informationen ja nur bündeln. Aber: Auch das ist eine Leistung, die durch Menschen, die ihr Essen, Miete und Leben davon bezahlen, vollbracht wird.

Basisinformationen sind kostenlos verfügbar

Wir tragen aus unzähligen Quellen wie Ämtern, Behörden, Ministerien usw. Informationen zusammen und stellen diese wie im Corona-Liveblog kostenlos zur Verfügung. Ja, wir haben einen Informationsauftrag. Und diesen kommen wir auch nach. Selbstverständlich und kostenlos ist dies bei aller journalistischer Ehre jedoch nicht. Und kann es nicht sein. Für unsere redaktionellen Leistungen zahlen die Abonnenten unserer Printzeitung übrigens seit Jahrzehnten schon Geld. Basisinformationen, die Leib und Leben betreffen, sind frei auf unserer Seite verfügbar.

Grotesk wird es bei pauschalen Anschuldigungen, die Medien würden Panik verbreiten. Es gibt nicht die Medien. Nicht als homogene Masse, nicht als Geschäftsmodell, nicht mit Blick auf journalistische Ausrichtung wie Qualität oder Boulevard. Wir erklären, was es bedeutet, wenn der Katastrophenfall ausgerufen wird, übersetzen akademische Politikersprache für die Allgemeinheit, bemühen uns bei Kommunikationsdesastern in Richtung der Öffentlichkeit Klarheit zu schaffen.

Groteske Forderung

Es ist (wie von Jan Böhmermann) völlig grotesk, zu fordern, dass alle Verlage ihre Paywall herunternehmen sollen. Kann ich in Krisenzeiten auch in einen Supermarkt gehen und angesichts der unsicheren Situation um kostenlose Kartoffeln und Fertiggerichte bitten – oder Klopapier – weil dies auch für Leib und Leben wichtig ist? Das ist, ja, zugespitzt und natürlich eine rhetorische Frage.

Unsere Arbeit hat einen Wert, einen systemrelevanten, gesellschaftlich enorm wichtigen. Damit wollen wir unsere Arbeit nicht überhöhen, nur unsere Mitarbeiter, die davon leben, vor Anfeindungen schützen und ihre Leistung angemessen würdigen.