Winterberg. Die Dominanz der Deutschen inklusive Bob-König Friedrich ist erschreckend. Am Geld allein liegt es nicht. Chefcoach Spies sieht die Ursache in der fehlenden Strukturarbeit der anderen Nationen.

Sein 100. Rennen in der Königsklasse wurde für Francesco Friedrich zur Triumphfahrt. In der Abendsonne von Winterberg bejubelte der 33 Jahre alte Sachse mit seiner Crew Thorsten Margis, Alexander Schüller und Felix Straub bei seiner zehnten Viererbob-Weltmeisterschaft seinen sechsten Titel und somit sein fünftes WM-Double.

„Wir hatten alles auf diesen Moment vorbereitet. Die Startzeiten passen, die Fahrten passen, das Material passt. Es macht einfach Spaß“, sagte Rekordweltmeister Friedrich im ZDF nach seinem insgesamt 16. WM-Gold in beiden Disziplinen.

Der Berchtesgadener Johannes Lochner („Ich war so oft Zweiter, ich will Gold“) konnte - wie zur WM-Halbzeit noch erhofft - nicht mehr kontern. Doch er und seine Crew auf dem Silberrang sowie Adam Ammour komplettierten den deutschen Dreifach-Erfolg, nachdem am Samstag auch die deutschen Zweierbob-Pilotinnen um die Weltmeisterinnen Lisa Buckwitz und Vanessa Mark zu dritt auf dem Podium gestanden hatten.

Spies: „Performen in allen Bereichen am Limit“

Wie schon im Zweierbob-Rennen fuhr der zweimalige Doppel-Olympiasieger Friedrich im ersten Lauf mit dem großen Schlitten Bahnrekord und löschte in 53,12 Sekunden die neun Jahre alte Bestmarke seines ehemaligen Vereinskollegen Nico Walther (53,48 Sekunden) aus. Mit 53,11 Sekunden unterbot er die Marke im dritten Lauf erneut und legte die Grundlage zum Sieg.

Fraglich ist, ob die deutsche Dominanz bei der Heim-WM mit den Dreifacherfolgen im Zweierbob bei Frauen und Männern und nun auch in der Königsklasse Viererbob so bleibt. „Wir performen gerade in allen Bereichen am Limit“, sagte Cheftrainer René Spies der Deutschen Presse-Agentur. Zweierbob-Weltmeisterin Lisa Buckwitz, die vor Monobob-Weltmeisterin Laura Nolte und Kim Kalicki am Samstag gewann, meinte: „Wir haben ja einige Materialveränderungen vom Weltverband, die diese Saison schon gegriffen haben. Da müssen wir jetzt weiter tüfteln, um vorn zu bleiben.“ Andere Nationen sagen nur, „der FES-Schlitten läuft super. Klar, das ist auch so, wir haben die besten Schlitten. Wir haben aber auch viel in die Entwicklung investiert“, sagte Buckwitz.

Das könnte sich schon bei der nächsten WM in Lake Placid ändern. Buckwitz-Anschieberin Vanessa Mark betonte, „man kann nicht sagen, dass die anderen nicht konkurrenzfähig sind. So eine Kaysha Love oder Elana Meyers Taylor, die nach zwei Kindern wiedergekommen ist, entwickeln sich super“. Und zum guten Material gehören dann auch immer noch gute Starts und die Fahrkünste der Pilotin.

„Kein Aufbau von langfristigen Topstrukturen“

Spies verwies auf die viel besseren Reserven anderer Nationen beim Scouten aus der Leichtathletik: „Die kommen nicht von allein, die muss man holen.“ Dafür sei systematische Arbeit unabdingbar. „Als wir 2014 bei Olympia in Sotschi leer ausgegangen sind, haben wir intensiv an Strukturen im Nachwuchs zusammen mit der Leichtathletik bundesweit gearbeitet. Dazu in mehreren Schritten das Material sowohl mit der FES als auch zwischenzeitlich mit Wallner optimiert. Diese Möglichkeiten haben andere Nationen auch“, sagte Spies.

Problem sei jedoch, dass viele Toptrainer im olympischen Vier-Jahres-Rhythmus das Team wechseln und somit nicht langfristig Topstrukturen aufbauen. So haben die Schweizer mit dem Milliardär Peter Spuhler und seiner Bahnbau-Firma Stadler Rail den wohl zahlungskräftigsten Sponsor im gesamten Weltcup-Zirkus. Doch die untereinander zerstrittenen Vereine in der Schweiz und das ständige Hineinreden bei der Verbandsspitze von Swiss Sliding, die in den vergangenen Jahren mehrfach wechselte, verhinderten bislang eine ähnliche Dominanz der Eidgenossen wie einst in den 70er und 80er-Jahren.