Auleben. Die ambitionierte Fußballerin aus dem Nordhäuser Raum will in Amerika mit Stipendium richtig durchstarten

Wir verabreden uns spontan an einem Mittwoch. In keinem Café, nicht an der Uni und auch nicht ganz entspannt nach dem Training auf dem Sportgelände. Zwischen uns liegen sechs Stunden Zeitverschiebung: meine Uhr zeigt 15.45 Uhr, ihre 9.45 Uhr. Johanna Rappe lebt, studiert und spielt Fußball im mehr als 7000 Kilometer entfernten Lebanon im US-Bundesstaat Tennessee. Wir telefonieren über WhatsApp. Kein Problem bei der heutigen Technik.

Gerade erst ist sie nach Hause gekommen. „Meine Statistikvorlesung begann um 8 Uhr. Das ist mal ein schöner Start in den Tag“, beginnt die 23-Jährige das Gespräch lachend. Es ist ihre einzige Vorlesung an diesem Tag. Am Nachmittag wird trainiert, sie spielt für das Team der Cumberland University. Rappe lebt ihren Traum, der vor mehr als zwei Jahren begann.

Impulsgeber war Jonas Heidrich. Der gebürtige Görsbacher und ehemalige Wacker-Spieler, der aktuell in New York lebt, erzählte von seinen Erfahrungen mit Athletes USA. Rappe ließ das Erzählte nicht los, sie beschäftigte sich intensiver mit dem Projekt. Ihr Plan stand, erfüllen sollte er sich im Sommer 2017. Eine aufregende Zeit nahm ihren Lauf.

„Im ersten Moment überwog die Vorfreude, aber ich war auch sehr nervös. Schließlich erwartete mich dort eine komplette neue Umgebung, neue Leute und die Sprache.“ Sportlich wurde ihr das Ankommen sehr leicht gemacht. „Im Fußball habe ich schnell Anschluss gefunden. Die Mannschaft ist wie eine große Familie, weil man mir ihr einfach die meiste Zeit verbringt.“ Sie brauchte zwei, drei Monate, dann gab es auch sprachlich keine Hürden mehr. Vor ihrem US-Traum lebte Rappe in Auleben und spielte für Rottleberode.

Fußball ist bei Rappes Familiensache: Vater Jörg war aktiv, Bruder Jacob auch. Mit Fünf erlernte Johanna in Görsbach das Fußball-ABC, spielte dort recht lange in der Jugend und war im Team das einzige Mädchen. Dann wechselte sie in die SpG Nordhausen-Salza und spielte in der Thüringenauswahl (U11 bis U19) gemeinsam mit Maxi Krug, die ebenfalls mit Athletes USA den Schritt über den großen Teich wagte. Zweimal im Jahr, im Sommer und über Weihnachten, fliegt sie zu ihrer Familie. Am meisten vermisse sie das deutsche Essen. „Deren Definition von gesund entspricht nicht unserer. Es gibt kein vernünftiges Brot, größtenteils ist alles hier sehr ungesund“, berichtet Rappe.

In der Mädels-WG, unweit des Uni-Campus, wird sehr auf die Ernährung geachtet. Gekocht wird mit frischen Zutaten und soweit wie möglich sportlergerecht. „Ich wohne mit vier Mädels aus den Niederlanden, Kanada, der Dominikanischen Republik und den USA in einem Haus. Unsere Küche ist sehr international, langweilig wird es uns nicht“, sagt Rappe, die den Austausch sehr genießt. Wie auch die Freiheit an ihren freien Tagen oder in der studien- und fußballfreien Zeit durch das Land zu reisen. Einiges habe sie schon gesehen.

„New York war richtig schön, Chicago ist eine Reise wert, Seattle war sehenswert. Nicht so gut gefallen hat mir Los Angeles.“ Reisen tut sie aber nicht nur privat. Auch sportlich. So bringt sie der Fußball gut durch das Land. Und das seit mehr als zwei Jahren. „Für mich war es die richtige Entscheidung, in die USA zu gehen. Hier kann ich auf einem richtig guten Niveau Fußball spielen und gleichzeitig studieren. Das funktioniert alles hervorragend“, beschreibt sie die Situation. Dabei genießt sie die Vorzüge eines Vollstipendiums, getragen durch die Schule und Athletes USA.

Sie studiert gleichzeitig Rechnungswesen und Marketing, einen sogenannten Double Major. Einer der Vorteile des amerikanischen Systems: das Studium ist komplett auf den Fußball abgestimmt. Zuerst am Bryan College, seit diesem Sommer an der Cumberland University. Und so startet sie auch für das dort ansässige Fußballteam. „Ich wollte mich durch einen Wechsel sportlich verbessern und neue Erfahrungen sammeln“, begründet Rappe ihren Schritt. Die Vorbereitung auf die neue Saison begann Ende Juli. „Diese ist mit zwei Einheiten pro Tag schon sehr intensiv. Im Trainingslager waren wir in Florida, alle in einem Haus. Wir haben gemeinsam gekocht, trainiert und hatten viel Spaß“, erzählt Rappe.

Saisonstart war Ende August, der Rhythmus fast immer gleich: zwei Spiele pro Woche. Anfang November war Schluss. Nun warten die Playoffs. Der Gewinner der „Mid South Conference Championschips“ zieht in die Meisterschaftsrunde, genannt Nationals, ein. „Dafür wollen wir uns qualifizieren“, blickt Rappe voraus.

Vor zwei Jahren habe sie den Sprung in die erste Runde der Nationals geschafft. Sollte es in diesem Jahr nicht funktionieren, sie bleibt noch ein paar Jahre in den USA. „Mein Plan ist es, dass ich mein Studium hier im Mai 2021 beende. Wie es danach weitergeht, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das Schöne ist, ich habe ein Studiums-Visa, das mir nach meinem Studium ermöglicht, noch ein Jahr in den USA zu arbeiten. Das wäre eine Option.“ Bis dahin lebt sie weiter ihren sportlichen Traum.