Holger Zaumsegel über den EM-Kader von Joachim Löw

Ein Akt der Größe, ein Sieg der Vernunft oder doch ein spätes Schuldeingeständnis: Wahrscheinlich ist der Kader für die letzte Titelmission von Joachim Löw mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ein bisschen was von allem. Zumindest dürfen die so leidgeplagten Fans dank der Rückkehr von Thomas Müller und Mats Hummels endlich einmal wieder den Eindruck gewinnen, dass der Bundestrainer gewillt ist, die besten Spieler des Landes mit auf die EM-Mission zu nehmen.

Dass wir überhaupt daran zweifeln mussten, ist ein Zeichen des Niedergangs des deutschen Fußballs seit der verpatzten Weltmeisterschaft 2018. Und es ist ein Zeichen für den Wandel vom Bundes-Jogi zum entrückten Herrn Löw, der sich lieber als Talentschmied sah. Er scheint mit Blick auf den EM-Kader nun zum Glück der Erde wieder ein Stück näher gekommen zu sein, auch wenn die Vorbehalte nach dem verpatzten Neuanfang groß sind.

Groß sind auch die Bedenken, ob die DFB-Elf mit Müller und Hummels auf Top-Niveau konkurrenzfähig ist. Dass ausgerechnet die von Löw Aussortierten jetzt seine Retter für einen halbwegs versöhnlichen Abschied nach 15 Jahren als Bundestrainer sein sollen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Allein werden die beiden das freilich nicht schaffen. Und blickt man auf die jüngsten Leistungen wie das blamable 1:2 gegen Nordmazedonien Ende März, ist Deutschland selbst mit einem Müller und Hummels in Topform höchstens Mittelmaß.

Dennoch: Die Mannschaft hat enorm großes Potenzial. Gelingt Herrn Löw in seinen letzten Arbeitstagen die Transformation zurück zum Bundes-Jogi, ist eine positive Überraschung möglich.