Erfurt. Eishockey: Mit Ungewissheit im Gepäck kam Joonas Toivanen vor drei Monaten zu den Black Dragons Erfurt. Jetzt ist er dort nicht mehr wegzudenken.

Idyllisch liegt Varkaus auf einer Landzunge, eingebettet in das Saimaa-Seengebiet. Hier kann man die seltene Saimaa-Ringelrobbe beobachten. Die 20.000-Einwohner-Stadt selbst, gut 300 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Helsinki gelegen, ist von Industrie und schmucklosen Neubauten geprägt. Doch dafür hatte Joonas Toivanen in seiner Kindheit ohnehin keinen Blick. Für ihn zählte nur Eishockey.

Schon mit fünf Jahren begann er mit dem finnischen Nationalsport. Klar, denn wie viele Landsleute stammt er aus einer echten Eishockey-Familie. Sein Vater war viele Jahre Spieler, dann Trainer, auch Joonas brachte er die Grundlagen bei. Dessen drei Jahre jüngerer Bruder spielte ebenfalls, bis er 20 war, dann fehlte ihm der Biss für die Profikarriere. Und die Mutter verpasste kaum ein Spiel, früher schon nicht, als ihr Mann noch spielte, und auch dann nicht, als die Söhne übers Eis wetzten. „Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Wir hatten zwei schöne Eisflächen, auf denen wir eigentlich immer spielen konnten“, sagt Joonas Toivanen.

Übersicht, Offensivstärke und Arbeit nach hinten zeichnen ihn aus

Seit drei Monaten ist der 28-jährige Stürmer nach vielen Jahren in Finnlands zweiter Liga zum ersten Mal im Ausland aktiv – bei den Black Dragons Erfurt in der Oberliga Nord. „Ein guter Freund wollte unbedingt mal in einem anderen Land spielen. Je mehr ich selbst darüber nachdachte, desto mehr gefiel mir dieser Gedanke“, sagt Toivanen. Den Freund verschlug es nach Österreich, ihn nach Erfurt. Der Verein musste nach der zweiten schweren Gehirnerschütterung des Slowaken Michal Vazan dessen Ausländerstelle schnell besetzen und nahm Kontakt zu Toivanens Agenten auf. Sein Klient sollte sich zunächst in einer vierwöchigen „Probezeit“ beweisen, ehe der EHC Erfurt über das weitere Vorgehen entscheiden wollte. Nicht nur deshalb war Erfurt für Toivanen „ein großes Abenteuer“, wie er selbst sagt. „Ich war bisher einmal ein verlängertes Wochenende in Berlin, sonst kannte ich Deutschland noch gar nicht.“

Drei Monate später ist das Abenteuer auf dem besten Weg, zur Erfolgsgeschichte zu werden. Der finnische Center ist aus dem Team der Drachen nicht mehr wegzudenken. Sportlich hat er von Beginn an überzeugt und sich einen Vertrag bis Saisonende erspielt, auch wenn er selbst der Meinung ist, er habe eine Weile gebraucht, um sich anzupassen. „Die finnische zweite Liga ist zwar etwas stärker, weil taktischer und schneller, aber in der Oberliga wird ganz anders gespielt. Da muss man sich erstmal umstellen.“ Dank seiner Übersicht und seiner Stärke sowohl im Offensivspiel als auch im Arbeiten nach hinten ist ihm das schnell gelungen. Mit 22 Scorerpunkten (13 Tore, 9 Assists) hat er die viertmeisten im Erfurter Team gesammelt, trotz erst 26 Spielen.

Er schätzt die Kameradschaft und das gute deutsche Bier

Vor allem das vergangene Wochenende war für ihn ein Höhepunkt: zwei Treffer, darunter der zum 4:3-Sieg, sowie eine Vorlage gegen Halle, dann das entscheidende Tor im Penaltyschießen in Hamburg. Das brachte ihm die Auszeichnung zum Spieler der Woche des Magazins „Eishockey News“ ein. „So etwas fühlt sich gut an, aber am wichtigsten war, zu gewinnen und der Mannschaft zu helfen“, sagt Toivanen, ganz Teamplayer.

Seine uneigennützige Einstellung sorgte dafür, dass seine Mitspieler auch zwischenmenschlich gleich gut mit dem finnischen Neuzugang zurechtkamen. „Auf dem Eis ohne Allüren und mit vollem Einsatz für die Mannschaft, auch sonst ein ganz feiner, ruhiger Typ“, lobt etwa der langjährige Drache Marcel Weise seinen neuen Mitspieler. Der gibt das Kompliment zurück: „Das sind tolle Jungs hier in Erfurt. Wir verbringen viel Zeit miteinander und sie machen es mir leichter.“ Leichter, die Sehnsucht nach der Familie im heimischen Varkaus und seiner Freundin in Helsinki zu ertragen.

Was ihm auch dabei hilft: das deutsche Bier. „Wir Finnen mögen Bier, und das deutsche ist sehr gut“, sagt Joonas Toivanen und kichert leise, was bei ihm schon ein echter Gefühlsausbruch zu sein scheint.

So richtig aus sich heraus kommt Toivanen selten. Vor allem dann, wenn seine Drachen gewinnen. Er kann sich gut vorstellen, über diese Saison hinaus Teil des Teams zu sein. Und das Abenteuer Erfurt, fernab des beschaulichen Varkaus und der seltenen Saimaa-Ringelrobben, noch ein wenig länger zu leben.