Jakarta. Die Heimat ist nah. Andrew Aris freut sich auf Neuseeland. Der Wahl-Erfurter kennt viele Ecken. Die Ball-Reise zur Fußball-WM der Frauen bringt aber auch ihm Einzigartiges. Und sie erinnert ihn wie Iris Albulet immer mehr, sorgsam mit der Erde umzugehen.

Weiß ist er mal gewesen, mit ein paar beschrifteten Paneels. Inzwischen ähnelt der Ball ein wenig der Erde, auf der er seit 325 Tagen rollt. Und das nicht bloß von der Farbe. Was glatte Kunsthaut gewesen ist, hebt sich durch Tausende Unterschriften langsam plastisch ab. Genau so wünschte es sich Andrew Aris. Es dürfte noch wachsen.

Auf Bali machen der Neuseeländer und Iris Albulet vom Erfurter Verein Spirit of Football da weiter, was in Vietnam, Kambodscha, Thailand, den Philippinen, Singapur sowie Malaysia schon ihre Mission gewesen ist. Projekte planen, Workshops umsetzen, mit Menschen ins Gespräch kommen, über die Welt philosophieren – über das Schöne wie Ungerechte. Wenig Schlaf, dafür viel unterwegs sein; oft ein bisschen bolzen, selber lernen und vor allem den Ball sprechen lassen. Klimaschutz, weniger Ungleichheiten und Geschlechter-Gleichbehandlung: Drei der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind lesbar gewesen, bis das Spielgerät 2022 in den Westteil der Welt reiste. Nun in Fernost, lässt sich eine globale Geschichte darauf erkennen, eine wie Tausende Botschaften.

Müll sammeln am Strand von in Thailand.
Müll sammeln am Strand von in Thailand. © Spirit of Football

Alex Morgen – eineEmpfehlung für sich

Irgendwo ist sie, weiß Aris. Das Video hat der 45-Jährige vor Augen. Er ist beeindruckt und stolz, wie die Topstars der Frauen-Nationalmannschaft der USA „The Ball“ feiern und signieren. Megan Rapinoe. Und vor allem Alex Morgen. Ihr Name allein hebt sich ab, „krass“, findet Aris. So wie sich seine fünfte große Ballreise abhebt.

Das Sommermärchen in Deutschland 2006, Südafrika 2010, Brasilien, Russland und statt Katar 2022, was mit der Philosophie des Vereins unvereinbar gewesen ist, nun Neuseeland 2023. Die Weltmeisterschaften der Männer haben den Fußballverrückten inspiriert, mit einem Ball und seiner weltweiten Begeisterung fürs Spiel auf Tour zu gehen, um fürs Miteinander zu werben. Diese Reise nun ist vielmehr ein Weg, die Notwendigkeit des Schutzes der Erde zu transportieren.

Jeden Tag neue Erfahrungen, neue Inspiration und Bilder, die hängen bleiben

Vorträge an der Mahsa-Universität in Malaysia, „Earth Day“ in den Bergen um Sagada auf den Philippinen, Hochzeit mitfeiern, Müll sammeln am Strand in Thailand. Jeden Tag neue Erfahrungen, neue Inspiration

Joaquin Nanez und Sophia Butzke begleiteten Aris auf dem ersten Teil der Strecke. Die Erlebnisse in Kambodscha wirken nach.
Joaquin Nanez und Sophia Butzke begleiteten Aris auf dem ersten Teil der Strecke. Die Erlebnisse in Kambodscha wirken nach. © Spirit of Football

und Bilder, die hängen bleiben. Kambodscha hat sich tief eingeprägt. Etwa, wie eine Partner-Organisation Schulen baut, um Straßenkinder aufzunehmen. Fußball ist dort Teil der täglichen Bildung. Oder etwa, wie Menschen im Abfall leben; wie sie in Battambang über die Organisation Comped mit Recycling eine bessere Zukunft haben.

„Es gibt so viel, was wir von anderen lernen können“, sagt Aris und berichtet weiter: „Egal, wo wir waren, die Leute sagen, es wird heißer. Und das Klima ändert sich.“ Als bräuchte es einen zusätzlichen Beleg, hat ihm vor Kurzem ein guter Freund Fotos aus der Heimat Auckland geschickt. Durch „unfassbar viel Regen“ sind dort Fußball-Plätze gerade überschwemmt.

„Das habe ich dort niemals so gesehen“, erzählt der gebürtige Auck­länder besorgt. Es ist ein Grund mehr, den verbindenden Fußball zu nutzen, um das Bewusstsein für die Umwelt zu fördern. Und es ist ein weiterer Grund, unbedingt Kiribati auf dieser Mission zu besuchen.

Ein Halt an der Datumsgrenze – wo sichtbar wird, was schief läuft

Der Staat liegt im Irgendwo des Pazifiks, an der Datumsgrenze. Er umfasst viele kleine Eilande. „Alles, was schief läuft auf dem Planeten, wird dort sichtbar“, erklärt der Neuseeländer. Hohe Bevölkerungsdichte, kaum etwas wächst, Nahrung muss vor allem importiert werden. Und laut Forschender könnte das Hauptatoll Kiribatis in wenigen Jahrzehnten überschwemmt sein. „Unfassbar, aber die Menschen dort sind

Iris Albulet spielt wie Andrew Aris selbst leidenschaftlich gern Fußball. Die Fair-Play-Turniere geben selbst so viel Energie.
Iris Albulet spielt wie Andrew Aris selbst leidenschaftlich gern Fußball. Die Fair-Play-Turniere geben selbst so viel Energie. © Spirit of Football

verrückt nach Fußball“, sagt Andrew Aris. Er ist ebenso gespannt wie Begleiterin Iris Albulet, was sie auf Einladung des dortigen Fußball-Verbandes erleben.

Die 29-Jährige kommt aus Tübingen, ist seit einem Jahr an Bord bei Spirit of Football. Seit dem Stopp in Singapur Ende April reist sie mit und fasst das Erlebte medial in Bilder und Worte. Mit Nahost-Wissenschaften kennt sie sich durch ihr Studium aus und ist beeindruckt, wie jeder Kontakt zu einem neuen führt, zu unverhofften Einladungen. Dass sie leidenschaftlich gern Fußball spielt, macht die vielen Fair-Play-Turniere zum Spaß. „Es gibt einem selbst so viel Energie“, sagt sie und ist neugierig.

Kiribati wird nach Fidschi die vorletzte Station sein, ehe beide zum WM-Start am 20. Juli in Auckland sein wollen. Australien schließt sich an, um im August auch dort den Ball vor allem für Klimaschutz, weniger Ungleichheiten und Geschlechter-Gleichbehandlung sprechen zu lassen. Wie viele Menschen das bis dahin mit ih­rem Namen untersetzen? Entscheidend ist, dass der Ball im Kopf bleibt.