Axel Lukacsek über die neue Möglichkeit im Fußball, fünf Spieler auszutauschen.

An Klaus Augenthaler war einst kaum vorbeizukommen. Als beinharter Libero räumte er auf dem Fußballfeld hinten meist alles ab, was sich ihm in den Weg stellte. Mit seinem straffen Schuss traf er einmal sogar aus 49,5 Metern das Tor von Eintracht Frankfurt und schoss im August 1989 seinen FC Bayern in die nächste Pokalrunde. „Auge“ verlor auf der Trainerbank jedoch auch schon mal den Blick fürs Wesentliche.

„Wahnsinn, auf was man alles aufpassen muss. Amateure, Ausländer, neue Regeln, da brauchst fast a Sekretärin.“ Der Weltmeister von 1990 nahm seinen Wechselfehler mit bayerischem Humor, als er in der Saison 1995/96 als Vertretung für den erkrankten Bayern-Trainer Franz Beckenbauer zur Halbzeit des Bundesliga-Duells gegen Fortuna Düsseldorf vier Spieler tauschte, was damals verboten war. Und als Co-Trainer war er mit dabei, als nur ein paar Monate zuvor sein Chef Giovanni Trapattoni einen vierten Amateur auf das Feld schickte, was damals ebenso nicht den Regularien entsprach.

Inzwischen dürfen Fußballtrainer in der 1. und 2. Bundesliga fast die halbe Mannschaft tauschen – dank Corona. Als nämlich im Frühjahr nach der Pandemie der Ball wieder rollte, führte der Weltverband Fifa jene Regelung ein. Man wollte damit der kurzen Vorbereitungszeit sowie der damit verbundenen erhöhten Verletzungsgefahr Rechnung tragen.

Der Ex-Nationalspieler und frühere Erfurt-Trainer Thomas Brdaric galt in der Bundesliga als Joker, kam bei 204 Einsätzen 99 Mal von der Bank. Gerade in Zeiten der Geisterspiele machte die Neuerung aus seiner Sicht durchaus Sinn: „Ohne die Fans im Rücken, die einen Spieler unglaublich puschen können, lässt sich die Konzentration nicht so leicht über die 90 Minuten aufrechterhalten.“

Nun, ein paar Wochen später, sind ganz interessante Fakten öffentlich geworden. Das Unternehmen Global Soccer Network hat nämlich festgestellt, dass die Zahl der Fouls gestiegen ist und die Profis mehr unterwegs sind. Die Spieler laufen nach der Corona-Pause im Schnitt immerhin rund drei Kilometer mehr.

Jonas Hummels, früher Profi bei der SpVgg Unterhaching und inzwischen Kommentator beim Bezahlsender DAZN, sieht einen Grund in jener Möglichkeit, mehr zu wechseln. „Eventuell hat der eine oder andere Spieler im Hinterkopf, dass nun fünf Auswechslungen möglich sind und er früher raus darf“, vermutet der Bruder von Dortmunds Abwehrchef Mats Hummels. Deren Cheftrainer Lucien Favre spricht sich für die dauerhafte Beibehaltung der neuen Regelung aus. Sein Bremer Kollege Florian Kohfeldt dagegen hält nichts davon, dies zur Dauerlösung zu machen. Viele Kritiker befürchten, gerade finanzstarke Vereine werden profitieren. Die können sich eine prominent besetzte Reservebank leisten und deren Dominanz werde dadurch nur noch zementiert. Dabei gab es mal eine Zeit, in der überhaupt keine Wechselmöglichkeit vorgesehen war, nämlich vor 1967.

Nun also hat der Weltverband angekündigt, dass es bis zum Sommer 2021 bei der neuen Regel mit fünf Wechseln bleiben soll. Die Deutsche Fußball Liga kann nun selbst entscheiden, ob sie dem folgt. Wie sich die Änderungen auf den Bundesliga-Kick ausgewirkt haben, war in den vergangenen Wochen gut zu besichtigen.

Am 30. Spieltag wechselte Uwe Rösler als Trainer von Fortuna Düsseldorf im Duell gegen Hoffenheim beim Stand von 1:2 auf einen Schlag vier Spieler aus. Wenig später fiel tatsächlich das 2:2. Zwar sind die Rheinländer später abgestiegen, aber der Tausch zeigte offenbar seine Wirkung. Interessantes Detail: RB Leipzig war jene Elf, die am häufigsten nach Mehrfachwechseln beim Gegner einen Sieg noch aus der Hand gab.

Belastbar sind all die Daten aber nicht. Dafür wurde die Statistik noch zu wenig mit Zahlen gefüttert. Ohnehin wurde früher viel weniger Aufsehen um eine Auswechslung gemacht. Als einst ein Spieler verletzt mit einer Trage vom Platz geschafft wurde, meinte ARD-Reporterlegende Heribert Faßbender kurz und trocken: „Der war sowieso für eine Auswechslung vorgesehen.“