Steffen Eß zur Premierensaison der European Handball League der Frauen.

Bundesliga-Sieg Nummer 284 der Thüringer Handballerinnen im 400. Bundesliga-Spiel. Ein 27:26-Erfolg bei Buchholz-Rosengarten. Einer, der auf des Messers Schneide stand und Sekunden vor Schluss durch einen Siebenmeter von Marketa Jerabkova entschieden wurde. Spannung, Dramatik in einem zuvor an sich vorentschiedenen Duell zwischen dem Sechsten und Zwölften. Das Jubiläumsspiel des THC besitzt Erzählstoff. Im Rückspiegel taugen jedoch eher die Wochenenden drumherum, um noch erzählt zu werden.

In ein paar Jahren wird die Premieren-Saison der European Handball League der Frauen wohl als Schlag ins Wasser wirken. Ei­ner, der aus der Corona-Pandemie rührt, aber ein Schlaglicht auf den zweithöchsten europäischen Klubwettbewerb nach seiner Umgestaltung wirft. Mit viel Freude begonnen, geht er mit einigem Frust nun in die Runde der letzten Acht.

„Als Sportler will man Handball spielen. Als Sportler will man Zuschauer haben. Als Sportler will man gerade international die großen Aufgaben angehen und überraschen. So wie wir es gegen Storhamar gemacht haben, hätten wir es auch gern in Astrachan gemacht. Als Sportler will man spielen. Deshalb muss man den gesamten Wettbewerb hinterfragen“, sagte THC-Trainer Herbert Müller. 14 Tage ist seine Reaktion her, nachdem das vom Kontinentalverband abgesetzte Gruppenspiel bei den Russen als verloren gewertet worden ist. Eine Woche später fiel infolge der Reisebeschränkungen auch der Trip ins rumänische Baia Mare aus.

Drei Spiele, darunter ein Doppelspieltag innerhalb von 24 Stunden – alle 0:10 gegen den THC gewertet. Das Aus aller Viertelfinalträume, weil die Corona-Situation im Moment kein Reisen so einfach zulässt wie für den entrückten Profifußball. Ein Wettbewerb, der im neuen Gewand neugierig machen sollte, gerät zur sportlichen Farce. Das Tableau eröffnet den Blick auf ein geschenktes Weiterkommen. Von der Qualifikation bis in die Gruppen hinein ziehen sich Wertungen durch die Spieltage, weil Teams infolge der Verordnungen nicht antreten konnten oder aufgrund des Risikos verzichteten. In allen vier Staffeln sind Partien gewertet worden. Astrachan etwa hat als einer der Favoriten von acht Spielen seit dem Setzen in die dritte Qualifikationsrunde vier bestritten – und steht in der K.o.-Runde. Baia Mare ist als Gruppenerster ebenso durch. Fünf seiner sechs Partien wären Heimspiele gewesen, wären die letzten zwei gegen den THC nicht gestrichen worden.

„Kommentarlos“, meint Herbert Müller. Er hakt das Seuchenjahr auf Europas Bühne ab, auch wenn er sich anfangs mehr versprochen hatte. Die Gesundheit geht vor. Es gibt kein schlagenderes Argument als das seit Pandemiebeginn.

Ein Jahr zurück, und die THC-Absichten hätten sich anders angehört. Das Viertelfinale wäre das erklärte Ziel gewesen, gleich ob die Gegner Baia Mare, Astrachan oder Hamar heißen mögen. Das Coronajahr, der Neuaufbau des Teams und vor allem die Aufs und Abs in der Liga haben indes die Erwartungen des siebenmaligen Meisters nach unten geschraubt. Der Trainer nahm jeglichen Druck vom Team. Alles darf, nichts muss.

Es war mehr drin. Das ist dennoch die Erkenntnis nach drei besseren THC-Auftritten gewesen, obgleich nach der Niederlage gegen Astrachan nur ein Sieg aus dem Doppelspieltag gegen Hamar heraussprang. Das Lob für die Leistungen ist auch Teil der Aufbauarbeit, die Köpfe oben zu behalten.

Dass der THC mit den beiden Mitanwärtern auf den Europa-League-Titel und Norwegens Spitzenreiter eine Todesgruppe und die ausgeglichenste überhaupt erwischt hat, ist die eine Seite. Die andere ist, dass die dringlichste Aufgabe seit dem Pokal-Aus darin besteht, in der kommenden Serie überhaupt wieder europäisch dabei zu sein. Der Fokus liegt auf der Aufholjagd in der Bundesliga. Der Blick des THC geht zum Doppelspieltag am kommenden Wochenende statt den abgesagten Europa-League-Partien nachzutrauern.

Bei Blomberg-Lippe am Freitag und gegen Oldenburg zwei Tage später stehen richtungsweisende Duelle an. Die Thüringerinnen sind zumindest dicht an den fünften Platz herangerückt. Der überzeugende Auftritt gegen den Zweiten Bietigheim vor drei Wochen nährt die Zuversicht, im Vergabetopf der vielleicht wieder fünf Startplätze zu sein. Diese Leistung muss der Maßstab dafür sein.