Erfurt. Sie ist aktuell die älteste Spielerin der Handball-Bundesliga der Frauen. Doch auch mit fast 38 marschiert Lydia Jakubisova beim siebenmaligen Meister Thüringer HC voran. Die Erfolge sprechen für sich. Doch die Slowakin will mehr.

Unten links, Innenpfosten, rein. Oben links, wieder Holz, nochmal drin. Lydia Jakubisova trifft, obwohl die Torhüterin die lange Ecke zumacht. Die Linkshänderin vom Thüringer HC ist auch in den Schnellangriffen bei der Sache, während die Konzentration bei der einen oder anderen Mitspielerin nachlässt. Zum Ärgernis der Rechtsaußen. Und von Herbert Müller. „Da muss erst eine Hundertjährige kommen und es vormachen“, schimpft der THC-Trainer für einen Moment.

Es ist Mittwochabend, beinahe 22 Uhr. Auch zum Abschluss des dritten harten Trainingstages in Folge fordert der Coach Einsatzwillen bis zur letzten Sekunde ein. Genauso wie die zweite THC-Kapitänin Lydia Jakubisova. „Es kann ja nicht sein, wenn die Spielerinnen nicht mehr richtig mitmachen“, knurrt sie. Im Wissen, dass die Übung eines der Elemente gewesen ist, um dem Tempo-Handball der Oldenburgerinnen am Sonntag effektiv begegnen zu können.

Für den aktuellen Spitzenreiter gibt es im ersten Heimspiel der neuen Bundesliga-Saison keine Alternative zu einem Sieg. Und gegen Oldenburg „wird immer ein guter langer Atem gebraucht“, schlägt Herbert Müller eine Brücke vom Training zum ersten Punktspielgegner in der Erfurter Riethhalle (15 Uhr).

Das mit der „Hundertjährigen“ war natürlich überzogen. „Nemo“, wie Lydia Jakubisova genannt wird, spricht selbst die Sprache des THC-Trainers. Sie nimmt den Satz, wie er gemeint gewesen ist: als Kompliment, den Jüngeren Einsatz vorzuleben. Und das in einem Alter, in dem die meisten Feldspieler längst in Handball-Rente sind.

In gut einem Monat wird die 1,68 Meter große Slowakin 38. Damit führt sie die Liste der ältesten Bundesliga-Spielerinnen vor der anderthalb Jahre jüngeren Göppinger Torfrau Edit Lengyel in dieser Saison an. Beim siebenmaligen deutschen Meister ist die Dienstälteste nach wie vor erste Wahl. Mehr als das.

Herbert und Helfried Müller schwärmen, wenn die Sprache auf die agile Außenspielerin kommt: „Ein Phänomen, ein Vorbild, je älter, desto besser“. Das Trainer-Gespann lobt ihre „unglaubliche Qualität und unfassbare Konstanz“. „Sie war immer da, wenn sie gebraucht wurde. Gibt immer Gas. Sie ist der Prototyp einer Generation, die sich quälen kann“, streicht Herbert Müller hervor. Er weiß, dass er nicht alle Vorzüge der Frohnatur benannt hat.

So viel Lob schmeichelt der Frau aus dem slowakischen Bojnice. Vor acht Jahren ist sie von Oldenburg nach Thüringen gewechselt und heimisch geworden. Sie lebt mit ihrem Mann Miroslav in Bad Langensalza, Tochter Lili (13) geht hier zur Schule, trainiert in der C-Jugend des Vereins bei der Mutter. Gerade baut die Familie ein Eigenheim. „Nemo“, die einmal den Bus der Nationalmannschaft verpasst und deswegen den Spitznamen weg hat, möchte nicht mehr fort.

Das Gefühl, gebraucht zu werden und der einen oder anderen jüngeren Spielerin mit Cleverness etwas vorzumachen, macht Lydia Jakubisova noch hungriger. Gelänge die Meisterschaft, wäre das ihr zwölfter Titel mit dem THC. „Ich hoffe aber, dass auch der 13. und 14. dazu kommt“, meint die Nimmermüde mit der Trikotnummer 28. Sie hegt einen Traum: im EHF-Cup mal ganz weit zu kommen. Erfolgsgeschichte hat sie derweil geschrieben. In 238 Partien für den THC erzielte sie 775 Treffer – 126 Mal trug sie das Trikot der slowakischen Nationalmannschaft. Sechs Meisterschaften, zwei Pokalsiege und drei Supercup-Erfolge schlagen im Thüringer Kapitel zu Buche.

Das ist nicht selbstverständlich für eine Sportlerin in den 30ern, nicht für eine, die auch Mutter ist, nicht für eine, die inzwischen halbtags als Bürokauffrau jobbt. Und umso bemerkenswerter ist es für eine Handballerin, die drei Kreuzbandrisse überwinden musste. „Ich bin selbst manchmal überrascht, was ich noch schaffe“, gesteht Jakubisova. Im steten Wiederaufstehen-Müssen sieht sie auch ei­nen Grund dafür. „Ich wollte immer zurück aufs Feld“, sagt sie mit Blick zurück. Neben dem Rückhalt in der Familie sieht sie ein einfaches Rezept, über Jahre auf Top-Niveau zu spielen. „So lange ich jedes Training mitmachen kann, bleibt mein Körper fit.“

Trainer Herbert Müller hört sich beinahe selbst in solchen Sätzen. Und gerade in dem Duell gegen Oldenburg ist er froh, eine „Allzweckwaffe“ wie Lydia Jakubisova in seinen Reihen zu haben. Hinter dem Einsatz von Meike Schmelzer am Sonntag steht ein Fragezeichen. Die Kreisläuferin plagt ein grippaler Infekt. Um Josefine Huber am Kreis zu entlasten, wäre die Slowakin eine Option.

„So eine Kleine, Bewegliche kannst du überall hinstecken“, sagt Lydia Jakubisova. „Außer ins Tor“, schränkt sie ein und wird die Rolle annehmen, die ihr zugedacht ist. Ob außen, am Kreis, wo auch immer. Verlässlich wie ein Uhrwerk.

Weshalb sie das beherrscht? Vielleicht durch die vielen Jahre, vielleicht, weil es in ihr stecke. „Ich denke, das muss vorm Herzen kommen“, sagt sie.

Klingt wie alte Schule.