Stuttgart. Für Herbert Müller war es trotz aller Meisterschaften mit dem Thüringer HC und dem 1. FC Nürnberg vor 3500 Zuschauern in der Stuttgarter Porsche-Arena ein besonderer Moment: „Ich habe lange auf meinen fünften Pokaltriumph warten müssen.“

Als Emily Bölk den silbernen Pokal in den Händen hielt, wischte sie sich an einem Nachmittag voller Emotionen eine Träne aus den Augen. „Als das Netz gezappelt hat, war ich einfach nur noch glücklich. Ich wusste, dass nur noch wenig Zeit war. Deshalb wollte ich werfen, bevor einfach so die Uhr abgelaufen wäre“, sagte die Nationalspielerin vom Thüringer HC, die mit ihrem Tor zwei Sekunden vor dem Schlusspfiff zum 24:23 (13:12) im Pokalfinale gegen Meister SG Bietigheim ihre Mannschaft und die 300 mitgereisten THC-Fans im siebten Himmel schweben ließ.

Auch für Herbert Müller war es trotz aller Meisterschaften mit dem Thüringer HC und dem 1. FC Nürnberg vor 3500 Zuschauern in der Stuttgarter Porsche-Arena ein besonderer Moment. „Ich habe lange auf meinen fünften Pokaltriumph warten müssen. Alfred Hitchcock hätte keine spannendere Geschichte schreiben können“, sagte der THC-Cheftrainer.

THC kassierte in den letzten elf Minuten kein einziges Gegentor

Als die Emotionen beim Thüringer HC mit dem Schlusspfiff förmlich explodierten, tanzte derweil Jana Krause mit im Freudenknäuel. Ausgerechnet im letzten Spiel ihrer Karriere feierte die zuvor schon mit sechs Meisterschaften dekorierte Torhüterin zum ersten Mal einen Pokalsieg. „Das war wie ein Fluch. Ich bin ziemlich stolz und überwältigt von dieser Situation. Ich werde wohl erst in den nächsten Tagen begreifen, was hier passiert ist“, sagte Krause, die in der 18. Minute eingewechselt wurde und in Halbzeit zwei ihr Tor förmlich zumauerte. „Zum Glück mussten wir nicht in die Verlängerung. Ich bin völlig platt“, sagte Krause, deren Mannschaft in der 49. Minute mit 19:23 scheinbar aussichtslos zurücklag. In den letzten elf Minuten aber kassierte der THC kein einziges Gegentor mehr.

Nur selten war der deutsche Pokal für den Thüringer HC ein von Erfolg gekrönter Wettbewerb. Erst zweimal - 2011 und 2013 - holte der siebenfache Meister den Pott. Beim letzten Triumph vor sechs Jahren zum Endrunden-Turnier in Göppingen standen die THC-Frauen letztmalig beim 30:22 gegen den HC Leipzig im Endspiel. Seitdem scheiterten sie meist im Halbfinale, zweimal sogar erst im Siebenmeterwerfen. „Natürlich wäre die Meisterschaft das Sahnehäubchen. Aber auch so dürfen wir heute feiern“, sagte die umjubelte Torschützin Bölk.

Einmal mehr stand aber auch Iveta Luzumova im Rampenlicht. Vor dem Finale in Stuttgart wurde die 30 Jahre alte Kapitänin durch den Bundestrainer Henk Groener als Spielerin der Saison geehrt und ihr Sieg in der Torschützenliste der Handball-Bundesliga gewürdigt. Beide Auszeichnungen hatte sie sich wie schon 2018 gesichert. „Darüber habe ich mich sehr gefreut. Viel lieber aber wäre ich mit meiner Mannschaft Deutscher Meister geworden“, sagte Luzumova: „Jetzt bin ich natürlich froh, dass wir den Pokal geholt haben.“

Im Finale entwickelte sich wie schon in der Meisterschaft ein packender Schlagabtausch. In Halbzeit zwei allerdings bissen sich die THC-Angreiferinnen in der Deckung von Bietigheim fest, scheiterten reihenweise an ihrer Ex-Kollegin Dinah Eckerle oder ihren eigenen Nerven. Beim 17:21 (43.) lag der THC zum ersten Mal mit vier Toren zurück - und schien endgültig auf der Verliererstraße. Die taktische Maßnahme aber, nun auf das 7:6-Überzahlspiel zu setzen, und eine unglaublich starke Jana Krause mit insgesamt 13 Paraden, läuteten in einem dramatischen Finale die Wende für den Vizemeister ein.

Tags zuvor hatte der Thüringer HC seine Dominanz unter Beweis gestellt. TuS Metzingen hatte im Halbfinale wie im Bundesliga-Duell keine Chance. Die erst 22 Jahre alte Alicia Stolle mit zwölf Toren und Emily Bölk (21), die neun Treffer erzielte, deuteten zum Saisonfinale an, was sie können und schwangen sich zu ihren besten Leistungen der Saison auf.

Im Finale knüpften beide zwar nicht ganz daran an. Dafür aber war mit Bietigheim der Gegner auch ein anderer. Im entscheidenden Moment war Bölk dennoch zur Stelle. „Jetzt wollen wir in der nächsten Saison wieder nach der Meisterschaft greifen“, sagte die 20-Jährige - und ließ sich von den freudetrunkenen Fans groß feiern.

Ex-Kapitänin Wohlbold: „Es ist schön, so aufzuhören“

Kerstin Wohlbold, kann es einen schöneren Abschied als Handballerin geben?

Nein, das war ein sensationelles Spiel. Mit diesem Pokalsieg für den Thüringer HC kann ich nun endgültig ruhigen Gewissens meine Karriere beenden. Für mich auf der Auswechselbank war das einfach nicht auszuhalten. Jetzt bin ich nur noch glücklich über diesen Sieg.

Haben Sie nach 50 Minuten noch an den Sieg Ihrer Mannschaft geglaubt?

Typisch THC, könnte man zu den letzten zehn Minuten sagen. Wir haben uns schon unglaublich viele Fehler geleistet. Aber wie wir dann gekämpft haben, das war wirklich vorbildlich.

Waren Sie nicht enttäuscht, dass Sie beim Final Four keine Sekunde gespielt haben?

Nein, es war von Beginn an klar, dass ich nur im äußersten Notfall spielen werde. Ich war ja im Viertelfinale gegen Borussia Dortmund mit dabei, als Iveta Luzumova verletzt war. Jetzt habe ich mich als moralische Stütze betrachtet. Dass ich so aufhören kann, ist unbeschreiblich schön.