Rotterode. Mit unglaublichem Kampfgeist stürmte er 1972 in Sapporo zu Olympia-Bronze - als erster Thüringer Kombinierer. Am Dienstag wird Luck 75 Jahre alt.

Karl-Heinz Luck, der als Junge in vielen Sportarten Staub wischte, fand erst mit 15 Jahren und mehr durch Zufall zur Kombination. Mit dem Rad war er nach Oberhof gefahren, wollte sich das Geschehen auf der dortigen kleinen Trainingsschanze ansehen. Im heimischen Unterschönau war er wie alle Jungs aus Spaß über Schanzen gehüpft. In Oberhof fragte ihn der Zella-Mehliser Trainer Horst Lesser, ob er es auch mal versuchen wolle. „Ich musste nicht lange überlegen, nahm das Angebot an und machte den ersten Oberhofer Sprung in meiner Trainingshose, dem von meiner Oma gestrickten Pullover mit geliehenem Schuhen und Ski“, erinnert er sich. Luck war danach vom Kombinations-Virus infiziert. Trainer Horst Lesser sorgte dafür, dass er zur Kinder- und Jugendsportschule nach Zella-Mehlis kam.

Noch heute verbindet Karl-Heinz Luck eine Freundschaft mit seinem Entdecker und langjährigen Trainer. Jeden Donnerstagvormittag trifft er sich in einem Zella-Mehliser Kaffee mit dem inzwischen 86 Jahre alten früheren Trainer. „Horst ist immer noch flott beieinander, läuft jeden Tag noch drei bis fünf Kilometer. Bis vor ein paar Jahren hat er noch Senioren-Wettkämpfe bestritten und auch organisiert“, erzählt der noch heute von Freunden und Bekannten „Lucki“ gerufene erste Thüringer Kombi-Medaillengewinner.

Natürlich verfolgt „Lucki“ noch immer sehr aufmerksam das internationale Sportgeschehen. „Beim Sommer-Grand Prix im vergangenen Herbst habe ich alle Wettkämpfe vor Ort mit Freude verfolgt. Es wurde in Thüringen aber auch wieder Zeit für einen hochklassigen Kombinierer-Wettkampf“, meint er.

„Ich bin alt und lebe im Wald

Die heutige Position der Thüringer Kombinierer findet Luck schlimm, will sich aber nicht präziser positionieren, da er nicht mehr nah genug dran sei. Ihm fehlen auch die Informationen vom wöchentlichen Trainer-Fußball in Zella-Mehlis, bei dem er seit zwei Jahren nicht mehr mitmacht. Nicht allein wegen eines Herzinfarktes 2018, einer künstlichen Hüfte und der Operation am rechten Knie. Spätfolge seiner Kreuzbandrisse im Vorfeld der Olympischen Spiele 1968. „Ich bin alt und lebe im Wald“, formuliert er schmunzelnd als Ausrede, warum er sich nicht näher zur Kombi-Situation in Thüringen äußern will. „Ich hoffe aber, dass man die derzeit 18 jungen Kombis im Sportgymnasium so motivieren, betreuen und aktivieren kann, dass wieder einmal Thüringer national und international ein ernstes Wörtchen mitsprechen können“, sagt er.

Nordische Ski-WM 1970  in der Hohen Tatra: Karl-Heinz Luck
Nordische Ski-WM 1970 in der Hohen Tatra: Karl-Heinz Luck © imago/WEREK | imago sportfotodienst

Die beiden Bronzemedaillen von Sapporo waren der größte, aber bei weitem nicht der einzige internationale Erfolg Lucks, der sich auf den Schanzen öfter schwer tat. „Ich war oft zu fisselig, zu aufgeregt, wollte alles zu gut machen“, erklärt er das. Am Holmenkollen gewann er 1970 die Weltpremiere des Gundersen- Wettkampfes, als Dritter auf der Schanze. In Lahti siegte er zweimal, in Strbske Pleso beim Tatra-Pokal stand er mehrfach, auch beim dortigen WM-Test, auf dem obersten Treppchen. Das führte dazu, dass «Lucki» 1970 und 1971 - als es den Weltcup noch nicht gab - die Saison als Weltranglisten-Erster beendete. Sehr häufig musste er aber in der Loipe Rückstand vom Springen wieder gutmachen. Nach der WM-Pleite 1970 reiste er stets mit bis zu 25 Paar eigenhändig präparierter Langlauf-Ski zu Wettkämpfen.

Als Akentjew ihm seine Stöcke reichte

Der stets ehrgeizige Luck wollte eigentlich schon bei seinem ersten Olympia-Start 1968 in Grenoble vorn angreifen. «Da wäre schon mehr als der elfte Platz möglich gewesen», meint der gelernte Werkzeugmacher. In Grenoble war er durch zwei Kreuzbandrisse im rechten Knie gehandicapt, die er sich beim vorolympischen Training in St. Moritz zugezogen hatte. «Trotzdem war ich im Lauf gut unterwegs, bis mich ein russischer Trainer, der nicht auf der Strecke hätte sein dürfen, regelrecht umfuhr. Zwei Kilometer vor dem Ziel reichte mir der russische Langlauf-Riese Anatoli Akentjew als fairer Sportsmann seine Stöcke. Deren Griffe waren so lang, dass ich die Stöcke, um mit ihnen laufen zu können, nur unterhalb der Griffe anfassen konnte“, erzählt Luck eine bisher unbekannte Anekdote von den 68er Spielen. Nach Laufbahnende wurde Akentjew 1979 Vizepräsident und 2006 Ehren-Vizepräsident des Ski-Weltverbandes FIS. Zudem war der faire Sportsmann Präsident des russischen Skilanglauf-Verbandes.

1973 beendete Karl-Heinz Luck seine aktive Laufbahn. Er arbeitete als Trainer mit dem Kombinierer-Nachwuchs in Zella-Mehlis, absolvierte parallel dazu an der DHfK-Außenstelle Erfurt das Sportlehrer-Studium. Nach der Wiedervereinigung war er drei Jahre als Auswahltrainer in der Schweiz tätig. Er kam nach Deutschland zurück, weil er bei der Ehescheidung das Sorgerecht für seinen damals achtjährigen Sohn Björn erhalten hatte.“Ich konnte mein ganzes Leben im Einklang mit dem Sport leben“, lautet seine Bilanz zum „75.“

Die goldene Generation

Auch nach Lucks Laufbahnende folgten ihm weitere Thüringer Spitzen-Kombinierer in die Weltspitze, bis hin zur „goldenen Generation“ um Ronny Ackermann, Marko Baacke, Sebastian Haseney, Marcel Höhlig und Tino Edelmann, die von 2001 bis 2015 insgesamt fünf Goldmedaillen, 15mal Silber und drei bronzene Plaketten von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften mit in den Freistaat brachten.

Auch als fast 75-Jähriger ist Karl-Heinz Luck von Sport und Bewegung fasziniert. Er ist noch Mitglied in der Gemeinschaft deutscher Olympiateilnehmer, fährt Rad und beschäftigt sich viele Stunden mit seinem eineinhalbjährigen Enkelsohn Ludo. „Er macht mir viel Spaß. Der Junge ist stets fröhlich. Im Kinderwagen schiebe ich ihn im Wald den Berg hoch, singe mit ihm Lieder. Ich hab’ mir extra ein Kinderlieder-Buch gekauft, um die Texte wieder zu erlernen. Ludo singt schon mit, ist lieb, aufmerksam und motiviert mich“, betont Luck. „Während der Vierschanzentournee fing er an, die Springer nachzumachen. Er ging in die Hocke, nahm die Hände nach hinten und versuchte Sprünge. Das war ein Heidenspaß für ihn und mich“, erzählt der Jubilar.

Karl Heinz Luck (DDR) 1972 in Sapporo
Karl Heinz Luck (DDR) 1972 in Sapporo © imago/WEREK | imago sportfotodienst

Zudem liest er viel und schaut ab und an in seine alten Trainingstagebücher. „Dabei werden die Erinnerungen an die früheren Ziele wieder wach. Es wird lebendig, wie hart ich um meine sportlichen Erfolge gekämpft habe, fast immer nach dem Motto: Kopf hoch, Ellenbogen raus“, erzählt er. „Ich versuche einfach, Freude am Leben zu haben und es zu genießen“, meint er schmunzelnd. Das um so mehr, als er seit dem 17. Dezember vergangenen Jahres wieder schuldenfrei ist. So lange musste er monatlich für das vor Jahren in Insolvenz gegangene Oberhofer Sportgeschäft bezahlen, das er als Namensgeber mit seiner damaligen Frau nach der Wiedervereinigung eröffnet hatte.