Dirk Pille zur Frage, wann ein Boykott angemessen ist.

Sport-Boykotte sind generell nicht der richtige Weg. Doch ein Diktator, der fremde Flugzeuge mit seiner Luftwaffe zum Landen zwingt, um einen Regimekritiker ins Gefängnis zu sperren, darf einfach kein grinsender Gastgeber für faire sportliche Wettkämpfe sein.

Weißrusslands Herrscher Lukaschenko erlaubt sich Wild-West-Aktionen, die sich früher selbst die Stasi nicht getraut hätte. Dass im Juni in Minsk trotzdem die Bahnrad-WM stattfinden sollte, war ein Unding. Die Absage nach dem Rückzug der deutschen und niederländischen Equipe ist folgerichtig, kommt aber viel zu spät. Der Sport darf den Autokraten dieser Welt nicht alles durchgehen lassen.

Natürlich könnte man sagen, dann auch kein Olympia in China, keine Fußball-WM in Katar oder Formel 1 in Bahrain. Bei einem Boykott müssen die Verbände und die Sportler abwägen. Oft rückt das Sportereignis die Probleme vor Ort längere Zeit ins Scheinwerferlicht. Dabei lässt sich der Opposition zumindest für eine Zeit helfen. Man schaue nur auf die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter in Katar, die sich nach weltweiter Kritik durchaus verbessert haben.

Doch im Fall Lukaschenko, der sich gern mal wie Putin als schlagkräftiger Eishockeyspieler präsentiert, hätte Europas Radsportverband spätestens nach dem Wahlbetrug und den Massendemonstrationen reagieren müssen. Doch es blieb beim Motto „Augen zu und durch“. Immer wieder wird deutlich, wie eng eitle Funktionäre der Verbände mit den Autokraten regelrecht zusammenkleben.

Einzige Lösung für die Sportler wäre ein neuer Gastgeber für eine Not-EM gewesen. Doch für eine kurzfristige Organisation des wichtigen Kräftemessens vor Olympia kam die Absage viel zu spät.