Oberhof. Wie Thüringens bester Skilangläufer Thomas Bing nach seinem Beinbruch um die Zukunft seiner Karriere kämpft.

Wenigstens die gute Laune hat Thomas Bing nie verloren. Als er ein paar Wochen nach seinem schweren Trainingsunfall in der Kältekammer des Medizinischen Cryozentrums in Erfurt bei minus 110 Grad gegen die Schmerzen ankämpfte, grüßte er über die sozialen Medien mit Mundschutz, schwarzen Handschuhen und einer weißen Fellmütze mit lustigem Tiergesicht auf dem Kopf. „An ein Karriereende denke ich nicht. Sonst hätte ich nicht so viel Energie investiert, um wieder zurückzukommen“, sagt der 29 Jahre alte Zollwachtmeister vom Rhöner WSV Dermbach.

Vor 210 Tagen hatte sich der beste Thüringer Skilangläufer beim Training in Toblach das linke Schien- und Wadenbein gebrochen. Nun steht Bing vor seinem Comeback, wenn er am morgigen Sonntag beim 1. Rennsteig-Rollskilauf von Gräfenroda nach Oberhof antritt. „Ich habe keine Erwartungen und kann auch gar nicht einschätzen, wo ich stehe. Aber ich will schon versuchen, gut mitzuhalten“, sagt der Oberhofer über das 21 Kilometer lange Rennen, bei dem die komplette Nationalmannschaft im Duell mit den ambitionierten Hobbylangläufern ihre jährliche Leistungskontrolle absolviert.

Thomas Bing ist längst noch nicht schmerzfrei. Aber dass er seit ein paar Wochen wieder auf Skirollern trainieren kann, ist für ihn schon mal ein Erfolg. Als er am 3. Februar mit dem linken Ski im nassen Schnee stecken blieb und er sich die bislang schwerste Verletzung seiner Karriere zuzog, wurde der Thüringer in nur einem Augenblick jäh ausgebremst.

Von heftigen Schmerzen geplagt, im Krankenhaus mit dem üblichen Papierkrieg konfrontiert und unter dem Eindruck von zwei Operationen an der Charité in Berlin hatte er im ersten Moment kaum Zeit, sich die Ausmaße seiner Verletzung vor Augen zu führen. Dass er die Nordische Ski-Weltmeisterschaft in Seefeld und damit die dritte WM-Teilnahme seiner Karriere verpassen würde, hatte er ohnehin schnell abgehakt. „Es hätte mir nichts gebracht, lange darüber nachzudenken.“

Auf dem Weg zurück in den Kader der Nationalmannschaft erlebte er so manch ungewöhnliche Begebenheit. Als er einmal mit seinen Gehhilfen eine Sparkasse betreten wollte, hielt ihm eine junge Mutter mit Kinderwagen freundlich die Tür auf. „Ich habe festgestellt, dass man mit einer Behinderung – ob nun dauerhaft oder nur vorübergehend – seine Umgebung ganz anders wahrnimmt“, sagt Bing, der in den vergangenen Wochen in der Reha-Klinik in Bad Rodach schwitzte oder im Kraftraum seinen Körper forderte.

Auch bei Kollegen holte er sich Ratschläge, wie sie denn eine schwere Verletzung überwunden haben. So sprach er auch mit dem inzwischen zurückgetretenen Olympia-Zweiten Tim Tscharnke, der im Sommer 2013 bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall verletzt worden war. Gemeinsam mit Männer-Bundestrainer Janko Neuber hat er inzwischen die kommenden Wochen geplant. Cross-Training, wichtige Reha-Maßnahmen oder Lehrgänge auf dem Schnee wie zum Beispiel im Oktober in Davos sind so dosiert, dass sich Bing Stück für Stück zurückkämpfen kann.

Er ist Realist, um selbst zu wissen, dass seine sportliche Zukunft auf dem Spiel steht. „Die kommenden Wochen werden zeigen, ob ich den Wiedereinstieg schaffe oder ich die Karriere beenden muss.“ Dass die Aufgabe durchaus machbar, aber enorm herausfordernd ist, das weiß auch der Oberhofer. „Es reicht ja nicht, wieder so gut zu werden, wie ich es schon einmal war. Um international anzugreifen, muss ich noch besser sein als je zuvor. Das ist die Schwierigkeit“, sagt Bing, dessen bestes Einzelresultat im Weltcup ein vierter Platz bei der Tour de Ski am Neujahrsmorgen 2014 ist. Ein Jahr später wurde er mit Tscharnke bei der WM in Falun ebenso Vierter im Teamsprint.

Der große Plan ist es, im kommenden Januar den ersten großen Wettbewerb des Winters zu bestreiten. Anvisiert ist dabei die Teilnahme am Deutschland-Pokal in Hinterzarten. Als einzigen Weltcup-Start hat er mit seinen Trainern den Wettbewerb in Lahti (29. Februar/1. März) ins Auge gefasst. „Ich werde dort aber nur antreten, wenn ich von der Leistung her in der Lage bin, dort auch mitzuhalten.“

Einen ersten Hinweis, wie weit der Weg dorthin sein wird, soll ihm am Sonntag der 1. Rennsteig-Rollskilauf geben.