Erfurt. Aus dem Leben eines Tempomachers: Der Erfurter Marcel Bräutigam will am Sonntag beim Hannover-Marathon Laura Hottenrott zur Bestzeit führen.

Keine Angst, meine Beine sind okay, sagt Marcel Bräutigam und lacht. Vor Wochenfrist erst war er in Grünheide zum deutschen Meistertitel über 50 Kilometer gelaufen. Am morgigen Sonntag startet er schon wieder beim Hannover-Marathon. „Das krieg ich hin“, sagt er, in Grünheide sei er ja nicht bis an seine Grenzen gegangen. Nach der Heimfahrt habe er auf einer Geburtstagsfeier sogar noch bis nach Mitternacht getanzt.

Morgen in Hannover läuft er allerdings nicht für sich. Er ist als Tempomacher für Laura Hottenrott engagiert, eine der besten deutschen Marathonläuferinnen. Bräutigam soll die 26-Jährige in den Bereich ihrer persönlichen Bestzeit von 2:32:58 Stunden führen. Für die gebürtige Kasselerin geht es in Hannover schon um Punkte für die Olympia-Qualifikation für Tokio.

Für Bräutigam ist die Rolle des Hasen Kür und Pflicht zugleich. Gegenüber dem eigenen Wettkampf kann er das Tempo etwas drosseln „Das ist anfangs schon so, dass ich mich bremsen muss“,sagt der 31-Jährige, „aber nach ein, zwei Kilometern habe ich die Geschwindigkeit im Gefühl und kann sie durchlaufen.“

Bei seinem 50-km-Meisterlauf hatte Bräutigam die Marathonmarke nach 2:24 Stunden passiert, morgen darf er im Ziel etwa acht Minuten langsamer sein Im persönlichen Lauftagebuch wird er Hannover als langen, harten Trainingslauf eintragen.

Seit sechs Jahren tritt der Erfurter immer wieder mal als Tempomacher an. Begonnen hatte alles in einem Trainingslager 2013 in Kenia. Dort sprach ihn Thomas Dold, der Manager der Hahner-Zwillinge, an. Der suchte einen Pacemaker für den Wien-Marathon. „Das hörte sich ganz reizvoll an“, erzählt Bräutigam, der diesen Job seitdem schon mehr als ein halbes Dutzend Mal verrichtet hat.

Legendär war seine Tempoarbeit für Helen Bekele Tola beim Barcelona-Marathon 2017. Er führte die Äthiopierin zum Sieg und Streckenrekord von 2:25:04 Stunden. Unvergessen, wie Bräutigam, immer wieder sich umdrehend und mit den Armen rudernd, die 22-Jährige auf den letzten Kilometern antrieb.

Damals besaß er im Ziel noch so viel Kraft, dass er selbst hätte Bestzeit laufen können. Doch als Tempomacher ist man nun einmal Dienstleister, belohnt mit einem kleinen Honorar vom engagierenden Management oder dem Veranstalter. Bräutigam gefällt die Rolle, trotz aller eigenen Ambitionen, die er noch hegt. „Anderen helfen zu können, sie zu einer guten Zeit zu führen, bereitet mir Freude“, sagt er.

Mit Laura Hottenrott hat er schon kurz die Marschtabelle beraten, Details besprechen beide am Abend vor dem Start. Auch die Etikette des Tempomachens hat Bräutigam längst verinnerlicht: spätestens beim Zieleinlauf zieht sich der Hase an die Seite zurück. Dann gehört die Bühne der Hauptperson.